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In Spanien gilt neues Abtreibungs- und Transgendergesetz

Gegen einen nun festgeschriebenen „Rechtsanspruch“ auf Abtreibung hatte die Bischofskonferenz protestiert. Auch das Transgender-Gesetz stößt auf Widerstand. Selbst bei einem Teil der Regierungspartei PSOE.
Eine Frau demonstriert in Madrid für ein "Recht auf Abtreibung"
Foto: IMAGO/Guillermo Gutierrez Carrascal (www.imago-images.de) | Das Abtreibungsgesetz, das „einen Rechtsanspruch auf Abtreibung“ festschreibt, wurde mit 185 Ja- und 154 Nein-Stimmen ohne Enthaltung gebilligt. Im Bild: Eine Frau demonstriert in Madrid für ein "Recht auf Abtreibung".

Das spanische Parlament hat am Donnerstag die umstrittenen Reformen des Abtreibungsgesetzes sowie das Transgender-Gesetz verabschiedet. Damit werden die 2015 von einer konservativen Parlamentsmehrheit eingeführten Änderungen des Abtreibungsgesetzes wieder aufgehoben; außerdem wird die Frage der „Gesundheit während der Menstruation“ eingeführt ¬– mit der Möglichkeit einer Freistellung von drei bis fünf Tagen bei Arbeitsunfähigkeit.

Sowohl gegen die Novellierung des Abtreibungs- als auch gegen das Transgendergesetz hatten mehrere von der spanischen Verfassung vorgesehene beratende Gremien, etwa der „Generalrat der rechtsprechenden Gewalt“ (CGPJ), Warnungen ausgesprochen, die jedoch von der Regierung nicht berücksichtigt wurden.

Dreitägige Bedenkzeit wird abgeschafft

Das Abtreibungsgesetz, das „einen Rechtsanspruch auf Abtreibung“ festschreibt, wurde mit 185 Ja- und 154 Nein-Stimmen ohne Enthaltung gebilligt. Die Gesetzesreform führt insbesondere fünf Punkte ein: Die bisher geltende dreitägige Bedenkzeit vor der Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs wird abgeschafft; Minderjährige ab 16 Jahren haben nun die Möglichkeit, ohne Erlaubnis der Erziehungsberechtigten eine Abtreibung vornehmen zu lassen; die Pflicht zur Information über Hilfen, die im Falle einer Fortsetzung der Schwangerschaft zur Verfügung stehen, wird abgeschafft; Abtreibungen sollen an staatlichen Krankenhäusern garantiert und kostenlos sein; die Verweigerung aus Gewissensgründen wird durch die Einrichtung eines Registers für Angehörige der Gesundheitsberufe geregelt.

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Gegen die Gesetzesreform hatte insbesondere die spanische Bischofskonferenz protestiert. Deren Pressesprecher, Bischof Luis Argüello von Valladolid, sagte, Abtreibung könne kein Rechtsanspruch sein. Einen „gravierenden Fehler“ nannte er vor allem, die dreitägige Bedenkzeit sowie die Möglichkeit abzuschaffen, abtreibungswilligen Frauen Alternativen und Hilfe anzubieten. In einer von der katholischen Bischofskonferenz, mehreren orthodoxen Kirchen, der reformierten Episkopalkirche und der Föderation Evangelikaler Körperschaften Spaniens sowie der Islamischen Kommission unterzeichneten Erklärung hatten Religionsvertreter die Politik aufgerufen, ungeborenes und bedrohtes Leben gesetzlich besser zu schützen.

Über das „Transgender-Gesetz“ wurde im Parlament kontrovers diskutiert. Da sich die zuständige Gleichstellungsministerin Irene Montero weigerte, zum Gesetzentwurf Experten anzuhören, veranstaltete die konservative Oppositionspartei PP eine Tagung, an der Fachleute ihre Bedenken äußerten. Dabei stellte sich heraus, dass auch ein Teil der sozialistischen Partei PSOE, die zusammen mit der linksradikalen Podemos-Partei von Montero die Regierungskoalition stellt, dem Gesetz kritisch gegenübersteht. So enthielt sich bei der Abstimmung im Parlament die ehemalige Vizepräsidentin Carmen Calvo (PSOE). Für das Trans-Gesetz stimmten 191 Abgeordneten bei 60 Nein-Stimmen und 91 Enthaltungen.

Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungsparteien

Die größten Meinungsverschiedenheiten zwischen PSOE und Podemos betrafen Artikel 43, der die geschlechtliche Selbstbestimmung regelt: 16-Jährige dürfen ohne Einwilligung ihrer Eltern beim Standesamt eine Änderung ihres Geschlechtes beantragen. Minderjährige zwischen 14 und 16 Jahren brauchen dazu die Zustimmung der Eltern, 12- bis 14-Jährige benötigen dazu eine richterliche Genehmigung. Die PSOE wollte das Erfordernis einer richterlichen Genehmigung bis zum Alter von 16 Jahren ausweiten, musste aber schließlich einen Rückzieher machen. Die Geschlechtsänderung erfordert keine Anerkennung einer Geschlechtsdysphorie, einer Hormonbehandlung oder einer körperlichen Veränderung. Dies hebt die Ministerin besonders hervor, weil er es eine „Anerkennung der sexuellen Identität“ ermöglicht, ohne das körperliche Aussehen zu verändern.

Zu den weiteren Neuerungen gehört es, dass Konversionstherapien, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder Identität zu verändern, verboten werden. Außerdem können lesbische oder bisexuelle Paare Kinder als ihre eigenen anmelden, ohne verheiratet zu sein; für diskriminierende Handlungen wird ein System von Straftatbeständen geschaffen.

Für einige Feministinnen bleibt „ein Gefühl der Hilflosigkeit“, weil über das neue Transgender-Gesetz keine gesellschaftliche Debatte stattgefunden habe. Die spanische Zeitung „ABC“ zitiert die ehemalige sozialistische Abgeordnete Ángeles Álvarez, die zur „Plattform gegen die Auslöschung von Frauen“ gehört, mit den Worten: „Wir sehen uns gezwungen, die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte damit zu verbringen, gegen ein gegenüber Kindern und Frauen ungerechtes Gesetz zu kämpfen.“ Die Folgen des Transgender-Gesetzes, so Álvarez weiter, „werden sich auf das Fleisch, die Haut und den Körper von Jungen und Mädchen sowie auf die Rechte der Frauen auswirken.“

Geschlecht hört auf, eine objektive Kategorie im Gesetz zu sein

„ABC“ zitiert ebenfalls Silvia Carrasco, Präsidentin von „Feministes de Catalunya“ und Professorin für Anthropologie an der Autonomen Universität Barcelona: „Die Auslöschung von Frauen und die Selbstbestimmung des Geschlechts sind zwei Seiten derselben Medaille. Denn wenn das legale Geschlecht davon abhängt, was ein Mann erklärt, hört das Geschlecht auf, eine objektive Kategorie im Gesetz zu sein.“

Mehrere Ärztevereinigungen haben vor den irreversiblen Folgen bestimmter Behandlungen und Eingriffe sowie vor psychischen Konsequenzen gewarnt, ohne dass der Gesetzgeber auf sie hörte.

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