Am 12. Januar verkündete der stellvertretende Ministerpräsident des spanischen Landes („Comunidad Autónoma“) Kastilien und León (CyL) Juan García-Gallardo die Einführung neuer Maßnahmen, um das Leben Ungeborener besser zu schützen. Der Politiker der rechten Partei „Vox“ teilte in einem auf Twitter verbreiteten Video mit, dass die vorgesehenen Maßnahmen „psychologische Betreuung für schwangere Frauen, Überwachung der Herztöne des Fötus und 4D-Ultraschalluntersuchungen sowie Schutz der Verweigerung aus Gewissensgründen für Angehörige der Gesundheitsberufe“ beinhalten sollten. Er wünsche sich, dass sich die Frauen „bewusster“ würden, bevor sie „eine Entscheidung“ über eine Schwangerschaft treffen würden.
Schlagabtausch zwischen den beiden Koalitionspartnern
Auf der offiziellen CyL-Homepage heißt es, dass diese Maßnahmen „eine der Achsen der öffentlichen Politik in den kommenden Jahren“ im Einklang mit der Regierungsvereibarung, die der konservativ-bürgerliche Partido Popular (PP) und die rechte Partei „Vox“ in der Region eingegangen sind. García-Gallardos Vorstoß führte aber trotzdem zu einem Schlagabtausch zwischen den beiden Koalitionspartnern. Denn García-Gallardo gehört ja Vox, also dem kleineren Regierungspartner an. Der Ministerpräsident wird hingegen mit Alfonso Fernández Mañueco von der PP gestellt.
García-Gallardo führte aus, es handele sich um „freiwillige“ Maßnahmen für die Schwangeren – Ärzte müssten jedoch diese Möglichkeit anbieten. Der Gesundheitsminister des Landes CyL, Alejandro Vázquez (PP), erklärte jedoch, eine solche Verpflichtung für die Ärzte würde nicht erteilt. Hatte García-Gallardo davon gesprochen, eine zusätzliche Untersuchung des Herzschlags anzubieten, damit die Schwangere die Möglichkeit habe, „ihr Kind anzuhören“, bevor sie „eine Entscheidung trifft“, so sagte der Gesundheitsminister, ein solche Angebot solle sich auf „spezifische Situationen“ beschränken, wenn „medizinische Kriterien“ dafür sprechen würden.
"Alle schwangeren Frauen in Spanien können ihre Schwangerschaft fortsetzen"
Am 15. Januar schaltete sich die aus einer Koalition zwischen der sozialistischen Partei PSOE und der kommunistischen Partei „Podemos“ bestehende spanische Regierung ein: Sie werde „alle Mechanismen nutzen, die ihr das Rechtssystem zur Verfügung stellt, um die Freiheit der Frauen und ihr Recht auf einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch unter den Bedingungen der geltenden Gesetzgebung zu verteidigen“. Die spanische Gesundheitsministerin Carolina Darias (PSOE) betonte „Die spanische Regierung „wird dafür sorgen, dass unter keinen Umständen, in keinem Teil des Staates und von keiner öffentlichen Verwaltung Maßnahmen ergriffen werden, die Grundrechte beeinträchtigen.“
Auch wenn sich CyL-Ministerpräsident Fernández Mañueco einen Eingriff der Zentralregierung in die Zuständigkeit des Landes verbat, scheint es, dass die PP-Zentrale darin eine Gelegenheit sah, sich von der „rechten“ „Vox“ zu distanzieren. PP-Chef Feijóo bekräftigte, es handele sich um einen „nicht existierenden Konflikt“ und erklärte: „Alle schwangeren Frauen in Spanien können ihre Schwangerschaft fortsetzen. Wir werden Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen wollen, niemals zwingen, solange dieser Abbruch im Einklang mit der Gesetzgebung unseres Landes steht.“ Daraufhin sagte auch Ministerpräsident Fernández Mañueco: „Die Landesregierung, der ich vorstehe, hat nicht in Erwägung gezogen, schwangeren Frauen Zwangsmahnahmen anzubieten.“
Die Position der Kirche
Alles also nur ein politischer Sturm im Wasserglas? Dazu passt auch die Wendung der Ministerpräsidentin des Landes Madrid, Díaz Ayuso: Als García-Gallardo am 12. Januar die Maßnahmen zur Geburtenförderung angekündigt hatte, sprach sie von der Einführung eines „Pro-Life-Telefons“ für schwangere Frauen: „Schwangere haben das Recht, informiert zu werden, nicht allein zu sein oder von jemandem unter Druck gesetzt zu werden, begleitet zu werden und Beratung zu erhalten, wenn sie darum bitten oder sie benötigen.“ Drei Tage später sagte Ayuso dann: „Ich habe den Eindruck, dass der stellvertretende Ministerpräsident von CyL einen internen Konflikt innerhalb der Regierung mit Maßnahmen sucht, für die er gar keine Befugnisse hat.“ Dieser Konflikt sei „unnötig“ gewesen.
Die Bischöfe der elf in CyL liegenden Diözesen veröffentlichten am 20. Januar eine Erklärung, in der sie an die Position der Kirche zur Abtreibung erinnern. Der Text verurteilt scharf die Argumentation derjenigen, die den freien „Schwangerschaftsabbruch“ befürworten, und erinnert daran, dass “der provozierte Tod des Menschen, auch im Mutterleib durch die Praxis der Abtreibung, nicht als Recht angesehen werden kann“, denn er verneine „das Leben an der Wurzel, die Grundlage der menschlichen Würde.“
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