Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Berlin

Humanisten fordern straffreie Abtreibungen bis zur 20. Woche

Ein Papier zur gesetzlichen Neuregelung von Abtreibungen zeigt eindrucksvoll, wessen Geistes Kind die „Humanisten“ sind.
Demonstration für "Recht" auf Abtreibung
Foto: Jörg Carstensen (dpa) | In dem Papier des "Humanistischen Verband Deutschlands“ (HVD) heißt es , es sei Frauen „unzumutbar, dass das Strafrecht Abbrüche prinzipiell verbietet und unter Strafe stellt“.

Wie bereits berichtet, hat sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag auf die Einberufung einer Kommission geeinigt. Die soll unter anderem prüfen, ob die Durchführung vorgeburtlicher Kindstötungen anstelle in den §§ 218ff. StGB zukünftig außerhalb des Strafgesetzbuches rechtlich geregelt werden kann. Vor Beginn der eigentlichen Debatte hat sich nun der „Humanistische Verband Deutschlands“ (HVD) mit einer eigenen Stellungnahme zu Wort gemeldet. Das siebenseitige Papier trägt den Titel „Humanistische Positionen und Argumente gegen die jetzige Strafbestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch“.

Darin heißt es, es sei Frauen „unzumutbar, dass das Strafrecht Abbrüche prinzipiell verbietet und unter Strafe stellt“, selbst dann, wenn, wie derzeit, „nach einer Pflichtberatung innerhalb einer dreimonatigen Frist seit Schwangerschaftsbeginn von strafrechtlicher Verfolgung abgesehen wird.“ Der Deutsche Bundestag solle die §§ 218 ff. „aus dem Strafgesetzbuch ganz herausnehmen und in eine Sondergesetzgebung überführen“.

Fötus wird wie ein Körperteil der Frau betrachtet

Dabei könnten der „willkürlichen Selbstbestimmung über den eigenen Körper gesellschaftlich Grenzen gesetzt werden“. Wie „ein Körperteil nicht ohne medizinische Indikation oder ausführliche psychologische Beratung amputiert werden dürfe, so ist auch im Falle des Schwangerschaftsabbruchs im fortgeschrittenen Stadium eine vorherige Beratung sinnvoll, um zu einer selbstbestimmten und verantwortungsvollen Entscheidung zu finden, die das Wissen um die medizinischen Risiken eines Spätabbruchs“ sowie „den Entwicklungsstand und den moralischen Wert des Fötus“ einschlösse.

Lesen Sie auch:

„Zuvorderst“ gelte jedoch, dass „keine Frau zur Austragung eines Ungeborenen genötigt oder gedrängt werden darf, auch nicht indirekt.“ Stattdessen sollten „allen Frauen, die einen Abbruch erwägen, behandlungsunabhängig ein umfassendes kostenloses psychosoziales Beratungsangebot zur Verfügung stehen, das sie freiwillig nutzen können“. Bei den „neu zu treffenden Normen“ sei „der fortgeschrittene Entwicklungsstand von Föten ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel“ sowie insbesondere „bei Überlebensfähigkeit außerhalb des Uterus zu beachten“.

Forderungen nach flächendeckenden Abtreibungsmöglichkeiten

 „Im Rahmen der Berufsausübungsfreiheit und nach dem Gewissensvorbehalt im aktuellen Schwangerschaftskonfliktgesetz können einzelne Ärzt*innen nicht dazu verpflichtet werden, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.“ „Strukturpolitisch“ sei jedoch „sicherzustellen, dass Schwangerschaftsabbrüche gemäß den medizinisch heute verfügbaren Methoden und bestmöglichen Standards flächendeckend durchführbar sind“.

Krankenhäuser, die staatlich gefördert würden, müssten „als Sofortmaßnahme gesetzlich verpflichtet werden, in ihren gynäkologischen Abteilungen innerhalb der ersten 12 Wochen, in denen die sogenannte Absaugmethode einsetzbar ist, Abbrüche vorzunehmen.“ Des Weiteren solle „der Schwangerschaftsabbruch verpflichtend in die Lehre der Medizin an den deutschen Universitäten aufgenommen werden“. Bis zur neunten Woche sei darüber hinaus „die ambulante Möglichkeit des frühen medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs mit Hormonpräparaten zu fördern, wie sie in Frankreich und Schweden bereits bei bis zu 50 Prozent der Abbrüche“ zur Anwendung komme.

Verzicht auf Beratungspflicht: „Recht auch Nichtwissen“

Da die meisten Studien davon ausgingen, dass „Föten ab der 20. bis 24. Schwangerschaftswoche Schmerzen empfinden“ könnten und „für das eigenständige Überleben außerhalb des Uterus“ eine Grenze „zwischen der 21. bis 24. Schwangerschaftswoche“ gesehen werde, sei „eine Frist bis zur 20. Woche vertretbar, innerhalb derer allein das Votum der Schwangeren“ zähle. Danach erforderten „Größe und Gewicht des Fötus zudem besondere technische Vorgehensweisen“, die „das medizinische Risiko für die Frau“ erhöhten.

Auf eine „Beratungspflicht“ sei „innerhalb der neu zu normierenden Fristen zu verzichten“. Stattdessen sollten vor jeder pränatalen Untersuchung „eine freiwillige Beratung angeboten werden, die über mögliche Diagnosen und daraus folgende Handlungsoptionen inklusive Schwangerschaftsabbruch und palliative Geburt aufgrund einer embryopathischen Indikation“ informierten. Dabei sollten die Schwangeren auch „explizit auf das Recht auf das Nichtwissen über den körperlichen und geistigen Zustand des Embryos hingewiesen werden. Gynäkolog*innen sollen diese Beratungszeiten über die Krankenkassen abrechnen können“.

Indikationsmodell für Spätabtreibungen jenseits der 20. Schwangerschaftswoche

 „Frauen und Eltern, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen“, sollte „ein umfassendes psychosoziales Beratungsangebot zur Verfügung stehen, das sie freiwillig nutzen können“. Die Beratung solle „ergebnisoffen“ sein und „medizinische Aufklärung über verschiedene Formen des Schwangerschaftsabbruchs, über mögliche physiologische und psychologische Folgen sowie mögliche Alternativen wie Adoption, Pflegefamilien, anonyme Geburt und Mutter-Kind-Einrichtungen umfassen“. Auch nach einer Abtreibung solle „Frauen und Eltern eine psychosoziale Beratung zur Verfügung stehen“.

Lesen Sie auch:

Für „spätere Schwangerschaftswochen“, also nach der 20. Schwangerschaftswoche, soll nach Ansicht der HVD „eine Indikationslösung gelten, die auch die embryopathische als eigenständige Indikation thematisieren“ müsse. Um hier „sensible Lösungen“ zu finden, sei „ein weiterer Austausch auch mit Behindertenverbänden nötig“. Um festzulegen, „welche Indikatoren einen späteren Abbruch legitimieren“, sei „eine größere gesellschaftliche Debatte nötig, die möglichst viele Interessen berücksichtigt und in gegenseitiger Wertschätzung und Offenheit geführt werden“ solle.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Rehder Deutscher Bundestag Fetus Lebensschutz

Weitere Artikel

Kirche

Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig