Ist es jugendlicher Übermut, geistige Unzurechnungsfähigkeit oder nicht auch schon Verharmlosung des Nationalsozialismus und des Holocausts, wenn der BDKJ-Bundesvorsitzende Gregor Podschun jetzt auf Twitter behauptet „Es ist wirklich armselig, dass die Kirche Schulter an Schulter mit Nazis demonstriert (bzw. ,marschiert‘)“ und dazu ein Foto von Teilnehmern des diesjährigen „Marsches für das Leben“ in Berlin präsentiert?
Auf jeden Fall ist es eine Diffamierung von Katholiken, ihrer Hirten und von Lebensrechtlern. Der mit Kirchensteuergeldern üppig alimentierte BDKJ wäre personell jederzeit in der Verfassung, sich selbst ein Lagebild von der jährlich stattfindenden Veranstaltung zu machen. Und wer, wenn nicht sein Bundesvorsitzender, wäre, wenn er die Kirche tatsächlich vor Schaden bewahren oder fehlgeleitete Gläubige oder ihre Hirten auf den „Pfad der Tugend“ zurückbringen wollte, dazu moralisch genauso verpflichtet, wie jetzt, da er eine Tatsachenbehauptung in die Welt setzt, die falscher nicht sein könnte.
Nazis träumen nicht von einem Land ohne Euthanasie, sie praktizieren sie
Nazis kümmern sich nicht um Frauen in Schwangerschaftskonflikten, erst recht nicht um solche mit Migrationshintergrund. Nazis fordern nicht vehement die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Weder vor noch nach der Geburt. Sie propagieren die „Endlösung“. Nazis träumen auch nicht von einem Land ohne Euthanasie. Sie praktizieren sie.
Gregor Podschun ist alt genug, um zu wissen, dass in einem freien Land niemand einer AfD-Politikerin wie Beatrix von Storch den Zugang zu einer öffentlichen Veranstaltung verweigern kann. Dass diese immer wieder gezielt auch mit kritikwürdigen Einlassungen am rechten Rand nach Wählern fischt, darf man kritisieren, sie als „Nazi“ zu diffamieren, geht auch hier zu weit. Jedenfalls dann, wenn Begriffe noch etwas bedeuten und nicht bloß Stimmung produzieren und Menschen etikettieren sollen.
Betrachtet man es genau: dann hat sich Podschun mit seinem Tweet selbst als überaus gelehriger Student der Lehrbücher des Populismus erwiesen. Ihn ins Gebet zu nehmen, wäre das Mindeste. Ihn zur Verantwortung zu ziehen, noch besser. Ob die Bischöfe dafür den erforderlich Mut besitzen, muss allerdings bezweifelt werden.
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