Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung US-Wahlkampf

Historiker: Bidens Rückzug war einzige Chance der Demokraten

Joe Biden wäre am besten gar nicht erst zu den Vorwahlen angetreten, meint der Heidelberger Historiker Manfred Berg. Die wahrscheinliche Kandidatin Kamala Harris wiederum sei bislang nicht ohne Grund kritisiert worden.
Der amtierende US-Präsident Joe Biden mit seiner Vizepräsidentin Kamala Harris
Foto: IMAGO/Tierney L. Cross - Pool via CNP (www.imago-images.de) | Den Demokraten rät Berg, sich jetzt schnell hinter der amtierenden Vizepräsidentin Kamala Harris zu versammeln, die bereits kurz nach Bidens Rückzug ihre Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur ankündigte.

Nach Ansicht des Heidelberger Historikers Manfred Berg hat der amtierende US-Präsident Joe Biden den richtigen Zeitpunkt verpasst, um seinen Rückzug aus der aktiven Politik bekanntzugeben. Die Entscheidung, doch nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, die Biden am Sonntag über den Kurznachrichtendienst „X“ mitteilte, sei „überfällig“ gewesen, erklärte Berg im Gespräch mit dieser Zeitung, „und sie kommt nach quälendem Zögern. Am besten wäre er erst überhaupt nicht zu den Vorwahlen angetreten“.

Lesen Sie auch:

Spätestens nach der Fernsehdebatte mit seinem republikanischen Herausforderer Donald Trump hätte Biden die Konsequenzen ziehen müssen. Damit, dass er fast einen Monat gewartet hat, habe sich der 81-Jährige selbst und seine Partei in eine schwierige Lage gebracht, so Berg, der seit 2005 Professor für Amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg ist. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, die Rassenbeziehungen in den USA, Lynchjustiz und Mobgewalt sowie die Geschichte der US-Außenpolitik und die Politikgeschichte der USA. „Aber besser spät, als nie, denn wäre er im Rennen geblieben, hätte er mit Sicherheit verloren.“ Bidens Rückzug sei die „einzige Chance, dass die Demokraten das Ruder noch einmal herumreißen können“.

„Die Trumpisten werden sie hassen"

Den Demokraten rät Berg, sich jetzt schnell hinter der amtierenden Vizepräsidentin Kamala Harris zu versammeln, die bereits kurz nach Bidens Rückzug ihre Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur ankündigte. Ein offener Konvent oder gar eine „Blitzvorwahl“ wären „politischer Selbstmord“, so der Historiker, „zumal gar keine profilierte Alternative bereitsteht“. Nach den bekannten Regeln der US-Politik müsse Harris jetzt rasch einen zugkräftigen „Running Mate“ auswählen, der einen der „Swing States“ repräsentiert und als Mann der Mitte gilt. 

Der Historiker Manfred Berg
Foto: TOBIAS SCHWERDT | Manfred Berg ist seit 2005 Professor für Amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, die Rassenbeziehungen in den USA, ...

Auch Harris selbst sieht Berg nun gefordert: „Jetzt muss sie zeigen, was in ihr steckt. Sie ist bislang nicht ohne Grund dafür kritisiert worden, dass sie sich nicht stärker politisch profiliert hat.“ Das müsse die 59-Jährige jetzt schnell nachholen. 

Zu der Frage, ob Harris als Präsidentin Bidens Politik fortsetzen oder doch andere Akzente setzen würde, meint Berg, er erwarte angesichts der innen- und außenpolitischen Herausforderungen wie etwa der Inflation, der Einwanderung, oder der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten erst einmal Kontinuität, sollte Harris gewinnen. „Ganz sicher würde Harris als Präsidentin einen gänzlich anderen Stil pflegen als Biden: Sie ist relativ jung, eloquent, und sie wäre die erste Frau in diesem Amt, zumal eine nichtweiße. Die Trumpisten werden sie hassen.“ Ob sie ein neuer Obama werden kann, müsse sie zeigen, falls sie gewinnt.  DT/mlu

Wer hat nach Bidens Rückzug im US-Wahlkampf die Nase vorn? In welche Richtung bewegen sich die Republikaner? Droht angesichts der Polarisierung in Amerika ein neuer Bürgerkrieg? Lesen Sie dazu das ausführliche Interview mit dem Heidelberger Historiker Manfred Berg.

Themen & Autoren
Vorabmeldung Barack Obama Donald Trump Joe Biden Kamala Harris Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg USA - Außenpolitik

Weitere Artikel

Trump versündigt sich gegen Amerikas Außenpolitik, schreibt der Publizist Ansgar Graw in einem Gastbeitrag. Doch Häme in Richtung USA empfiehlt sich nicht.
29.08.2025, 09 Uhr
Ansgar Graw
Donald Trump hielt den Tyrannen im Kreml zu lange für Seinesgleichen. Das hat die Ukraine mit einem hohen Blutzoll bezahlt. Aber ist nun tatsächlich eine Wende in Sicht?
16.07.2025, 21 Uhr
Stephan Baier
Charlie Kirk war ein Medienphänomen, dessen harter, aber respektvoller Umgang mit Andersdenkenden Millionen Menschen in den Bann zog.
17.09.2025, 16 Uhr
Stefan Rehder

Kirche

Näher zur eucharistischen Anbetung: Adoratio machte es möglich, mit Vorträgen, Gebetszeiten und Begegnung. Auch Bischof Oster und Sophia Kuby kamen.
02.10.2025, 05 Uhr
Elisabeth Hüffer