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Haft für den Wahlsieger und Weihnachten im Oktober

Das Regime des venezolanischen Diktators Maduro verstärkt den Druck auf die Opposition und greift zu kuriosen Ablenkungsmanövern.
Protest in Venezuela
Foto: IMAGO/Jorge Mantilla (www.imago-images.de) | Wie ein verfrühtes Weihnachtsfest fühlt es sich für sie garantiert nicht an: Demonstranten in Venezuela halten Kopien von Wahlauswertungen in die Kamera. Dem Regime wird Fälschung im großen Stil vorgeworfen.

Gegen Edmundo González, den Sieger der venezolanischen Präsidentschaftswahl vom 28. Juli, wurde ein Haftbefehl erlassen. Dem mit mehr als 67 Prozent der Stimmen gewählten Präsident werden Amtsanmaßung, Fälschung öffentlicher Dokumente, Anstiftung zum Ungehorsam, Verschwörung, Sabotage von IT-Systemen und Verstöße gegen das Vereinsrecht vorgeworfen. Miguel Ángel Martín, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofs Venezuelas, der im Exil lebt, erklärte gegenüber der spanischen Zeitung ABC, die Anklagen seien darauf ausgelegt, González zum Verlassen des Landes zu zwingen. 

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González tauchte unter, nachdem er Wahlergebnisse veröffentlicht hatte, die von der nationalen Wahlbehörde (CNE) nicht anerkannt werden. Sein Anwalt betonte, dass es keine rechtliche Grundlage für die Vorwürfe gebe, und González „von Haus zu Haus ziehen muss, um sein Leben zu schützen“. Trotz des Drucks hat González keinen Asylantrag gestellt. „Er will dem venezolanischen Volk nahe bleiben“, sagte der Anwalt.

Ein Dank an die Untertanen

Der internationale Widerstand gegen das Vorgehen des Regimes wächst. Sieben mittel- und südamerikanische Länder, darunter Argentinien, Costa Rica und Uruguay, sowie die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verurteilten den Haftbefehl als Versuch, González zum Schweigen zu bringen und den Volkswillen zu untergraben. Die OAS beschuldigte die venezolanische Justiz, als „Instrument für Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu agieren. In den USA bezeichnete ein Sprecher des Weißen Hauses den Haftbefehl als „ungerechtfertigt“. Auch europäische Staaten wie Spanien, Italien und Portugal schlossen sich der Kritik an. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte die venezolanischen Behörden auf, die „Freiheit, Integrität und Menschenrechte von González zu respektieren“. Er hob die Notwendigkeit hervor, die Unterdrückung der Opposition zu beenden und den Willen des venezolanischen Volkes zu respektieren.

Das Maduro-Regimes ist zunehmend isoliert. Selbst seine früheren Verbündeten, die Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien) und Gustavo Petro (Kolumbien), haben ebenfalls gefordert, die Wahlergebnisse zu veröffentlichen, bevor sie Maduros Sieg anerkennen würden. Unterdessen hat Maduro zu einem kuriosen Ablenkungsmanöver gegriffen: Er erklärte, Weihnachten auf den 1. Oktober vorzuziehen, als „Dank an das kämpferische Volk“, wie er in einem Fernsehauftritt sagte. Wie der „Spiegel“ berichtet, verteilt das Regime an Weihnachten häufig Lebensmittelpakete in Armenvierteln. Die Maßnahme hat daher beinahe schon Tradition: 2020, während der Pandemie, zog Maduro Weihnachten auf den 15. Oktober vor, 2021 auf den 4. Oktober.

Menschenrechtsorganisation veröffentlicht Bericht

Das in Buenos Aires ansässige „Zentrum für die Öffnung und Entwicklung Lateinamerikas“ (CADAL) hat eine umfassende Dokumentation verschiedener venezolanischer Nichtregierungsorganisationen mit dem Titel „Menschenrechte in Venezuela in Bewegung“ veröffentlicht. Der 132-seitige Bericht dokumentiert Menschenrechtsverletzungen vor, während und nach dem Wahltag am 28. Juli 2024 und basiert auf Daten von mehr als 25 Initiativen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Behörden weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit verüben, und die systematische Aushöhlung demokratischer Institutionen einem „Staatsterrorismus“ gleichkommt. Zudem stellt der Bericht fest, dass systematische Hindernisse den Wahlprozess nicht als „frei“ oder „fair“ erscheinen lassen.

Der Bericht listet zahlreiche Verstöße auf, darunter die Inhaftierung von 25 Personen und die Sperrung von 58 Webseiten vor dem Wahltag. Im Juli wurden 1.311 Proteste gemeldet, die meisten gegen die Unterdrückung bürgerlicher und politischer Rechte. Bis Juli wurden 169 Personen willkürlich inhaftiert, darunter die Menschenrechtsverteidigerin Rocío San Miguel. 49 Personen wurden festgenommen, weil sie für die Kampagne von Edmundo González Dienstleistungen erbracht hatten, und 24 Einrichtungen wurden sanktioniert.

Mindestens 24 Todesopfer

Am Wahltag selbst gab es Meldungen über Unregelmäßigkeiten, darunter Verzögerungen und den Missbrauch öffentlicher Mittel zur Wählermobilisierung, was auf eine koordinierte Repression durch die Behörden hindeutet. Offiziellen Berichten zufolge wurden mindestens acht Personen verletzt und eine Person getötet. Diese Unregelmäßigkeiten wurden auch vom Carter Center und einem UN-Wahlexpertengremium dokumentiert.

Nach dem Wahltag verschärfte die Regierung die Repression. Massenfestnahmen, Gesetze gegen NGOs, Überwachung von Mobiltelefonen und die Verbreitung von Drohbotschaften sind nur einige der Maßnahmen. Die unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen dokumentierte, dass mindestens 24 Menschen bei diesen Maßnahmen getötet wurden. (DT/jg)

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