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Habeck, Vance und Jesus oder der Streit um die Meinungsfreiheit

Beleidigung ist Sünde, aber die liberale Demokratie lebt von freier Rede: dann doch lieber Hölle als Hausdurchsuchung.
US-Vizepräsident J.D. Vance im Wahlkampf auf der Republican National Convention
Foto: IMAGO/Mike De Sisti (www.imago-images.de) | Faith & Freedem, Glaube und Freiheit, das passt im amerikanischen Verständnis durchaus gut zusammen. Im Bild US-Vizepräsident J.D. Vance bei einem Auftritt vor den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Sommer.

Zugegeben: Jesus ist anderer Meinung. „Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.“, so heißt es im Matthäusevangelium. Diesen himmlischen Maßstäben kommt Deutschland, wie aktuell eine Dokumentation des US-TV-Senders CBS zeigt, durchaus nahe.

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Ein hier bekannt gewordener exemplarischer Fall: Nach dem Reposten eines Memes im Internet, auf dem Wirtschaftsminister Robert Habeck als „Schwachkopf“ tituliert wurde, fing sich letztes Jahr ein Rentner aus der Nähe von Bamberg eine frühmorgendliche Hausdurchsuchung ein. Die Aktion fügte sich ein in eine regelrechte Anzeigewelle gegen Bürger, die Politiker unfein kritisiert hatten. Allein die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte über ihre Anwaltskanzlei 1970 Anzeigen gestellt, was nach Recherchen des Portals „Apollo News“ zeitweise fünf Staatsanwälte und drei weitere Mitarbeiter mit Arbeit versorgte.

Politik als Fortsetzung der Moral

Nimmt man Jesus beim Wort, scheint das hiesige staatliche Vorgehen aber nicht überzogen. Besser Geldstrafe und Handy weg, als Feuer der Hölle, oder? In der Tat mag man sich wundern, warum dann ausgerechnet ein als strenggläubig geltender Katholik wie der US-Vizepräsident J.D. Vance einem versteinerten Publikum auf der Münchner Sicherheitskonferenz angesichts immer strengerer Regulierung von Äußerungen im Internet die Abkehr von demokratischen Kernprinzipien wie der Meinungsfreiheit zum Vorwurf machte.

Der Grund liegt wohl darin, dass eine staatliche Sanktionierung jeder noch so kleinen Sünde zwar gut in totalitäre Theokratien passt, aber weniger in liberale Demokratien, für die Meinungsfreiheit die fundamentale Freiheit ist, ohne die sie nicht funktionieren können. Wie soll eine freie Meinungsbildung zustande kommen, die auch Grundlage der demokratischen Wahlentscheidung ist, wenn Bürger Angst haben müssen, für jede grenzwertig uncharmante Regierungskritik Besuch von der Polizei zu bekommen? Selbst wenn in anschließenden Gerichtsverfahren ein Gutteil der Beschuldigten Recht bekommt, ist ein Schaden angerichtet.

Die Reform des Paragraphen 188 des Strafgesetzbuches, der seither die Beleidigung von Politikern härter unter Strafe stellt als die von Normalbürgern, hatte zuletzt noch die letzte große Koalition unter Angela Merkel ersonnen. In Zukunft offenbar noch weiter verschärfen wollen die Grünen das umstrittene Gesetz, wie aus ihrem Wahlprogramm zu entnehmen ist. Keine große Überraschung, ist doch vor allem im grünen Lager die Überzeugung verbreitet, dass Politik letztendlich die Fortsetzung der Moral mit anderen Mitteln ist. Ob sie sich dabei auf Jesus Christus berufen können, dessen Weisungen im Allgemeinen ja doch eher auf persönliche Umkehr abzielen, darüber mögen Theologen streiten. Sonderlich demokratisch ist die Vorstellung, jedes unflätige Wort direkt staatlich bestrafen zu wollen, jedenfalls nicht.

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