Hat Deutschland ein Problem mit Meinungsfreiheit? Nach der Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance vor wenigen Tagen auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die zu einer hitzigen Debatte über genau dieses Thema führte, sorgt jetzt eine Dokumentation des amerikanischen TV-Senders CBS beiderseits des Atlantiks für Aufsehen. Der rund 13 Minuten lange Film des Senders, der in der US-Medienlandschaft dem progressiven Spektrum zugerechnet wird, berichtet über den deutschen Versuch, das Internet durch staatliche Kontrolle in „einer Art und Weise, die Amerikaner sich nie vorstellen könnten, zu zivilisieren“.
Darin begleitet die Reporterin niedersächsische Polizisten bei frühmorgendlichen Wohnungsdurchsuchungen, auf denen Laptops und Smartphones von „Online-Trollen“ konfisziert werden. Der Vorwurf im gezeigten Fall: Posten eines rassistischen Cartoons. Ein Team deutscher Staatsanwälte erklärt der Reporterin, wie die Beschuldigten üblicherweise reagieren: Die Menschen seien gewöhnlich überrascht, dass ihr Social-Media-Posting tatsächlich illegal sei, unterlägen dem Irrtum, dass Meinungsfreiheit herrsche – diese aber habe eben Grenzen, üble Nachrede, Beleidigung oder gefälschte Zitate etwa. „Wie reagieren die Leute, wenn Sie ihnen ihre Geräte wegnehmen?“, will die CBS-Reporterin wissen. „Sie sind schockiert“, antworten die Staatsanwälte, und lachen. Es sei eine Art Bestrafung, das Smartphone zu verlieren, führt einer aus. „Sogar schlimmer als die Geldstrafe“, die zu zahlen sei.
Nicht zuletzt diese Szene hat auch in Deutschland für Irritierung gesorgt. „Offenkundig unverhältnismäßig“ nannte die Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung etwa der Zeit-Journalist und Jurist Jochen Bittner auf „X“, „unfassbar“ sei es, dass ein Staatsanwalt das auch noch offen zugebe, indem er die Beweissicherung als schlimmer als die Strafe einordne. Auch der FDP-Spitzenpolitiker Wolfgang Kubicki zeigte sich entsetzt: „Wer im Angesicht solcher Bilder noch beruhigt schlafen kann, hat den Wert der Meinungsfreiheit für das demokratische Gemeinwesen nicht verstanden. Die Freiheit der Meinungen ist die Grundlage der Freiheit überhaupt.“ Die Durchsuchungen unterhöhlten das Vertrauen in die Geltung des Grundgesetzes. Auch der amerikanische Vizepräsident Vance teilte das Video, versehen mit dem Kommentar: „Das ist wie bei (George) Orwell, und jeder in Europa und den USA muss diesen Wahnsinn zurückweisen“.
In Deutschland selbst hatte in den letzten Monaten etwa der Fall eines 64-Jährigen für eine Kontroverse über mögliche negative Auswirkungen des Paragraphen 188 des Strafgesetzbuches auf die Meinungsfreiheit gesorgt. Auf Grundlage dieses noch von der letzten großen Koalition eigentlich zum Schutz von Kommunalpolitikern verschärften Paragraphen war die Wohnung des Mannes durchsucht worden. Er hatte im Internet ein Meme repostet, auf dem Wirtschaftsminister Robert Habeck zu sehen war, verbunden mit der an die Haarpflege-Marke „Schwarzkopf Professional“ erinnernde Unterschrift „Schwachkopf Professional“. (DT/jra)
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