Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist vorerst vom Tisch. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat nicht nur eine Reform der Öffentlich-Rechtlichen gebilligt, die die Sender langfristig verschlanken soll, sondern auch die aktuell anstehende Entscheidung über die Beitrags-„Anpassung“ auf Dezember vertagt, wodurch eine Erhöhung noch zum 1. Januar 2025 sehr unwahrscheinlich geworden ist. Auch wenn nach dem Treffen der Ministerpräsidenten etwas nebulös von einem „Systemwechsel“ bei der Finanzierung die Rede war, dokumentiert die Vertagung doch eine grundsätzliche Verschiebung: Der Beitrag ist unbeliebt wie selten zuvor. Sperrte sich bei der letzten Anhebung nur Sachsen-Anhalt (letztlich vergeblich) gegen die Erhöhung (damals von 17,50 auf 18,36 Euro), sprach sich in dieser Runde auch Markus Söder, der Mann mit dem besonders feinen Näschen für kippende Stimmungen, öffentlichkeitswirksam gegen eine Erhöhung aus.
Warum das so ist, ist nicht schwer zu erklären: Auch wenn der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer nach dem Treffen beteuerte, dass der ÖRR „großes Vertrauen in der Bevölkerung“ genieße, steht es um das Image von ZDF, ARD und Co. keinesfalls zum Besten. Zu behäbig, zu einseitig und zu unkritisch sei die Berichterstattung – dieses Urteil teilen nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie immer mehr Menschen. Das Narrativ, nach dem der auftragsgemäß sowohl staatsferne als auch dank Gebühreneinzug wirtschaftlich unabhängige öffentliche Rundfunk schon durch seine Konstruktion für glaubhafteste und neutralste Information sorgt, gar für die Demokratie unerlässlich sei, überzeugt nicht mehr. Wer heute zeitnah und vielseitig informiert werden will, nutzt – aller teils auch berechtigter Kritik zum Trotz – zuerst die Plattform „X“. Ein Minimum an Zeit und eigenem Willen zur diversen Information vorausgesetzt, ist es auf diesem Marktplatz der Meinungen wesentlich leichter, zu einer differenzierten Perspektive auf politische Streitthemen zu gelangen, als etwa durch den Konsum einer Tagesschau-Sendung.
Feindbild Musk
Es wirkt daher auch wie ein (wenngleich bedrohlich autoritäres) Rückzugsgefecht, wenn etwa ein Robert Habeck in einer auf den streitbaren X-Besitzer Elon Musk gemünzten, jüngst öffentlich gewordenen Brandrede verkündet, man könne es „nicht zulassen als liberale Demokratien, dass Milliardäre, die in den USA Donald Trump unterstützen, mit ihrer Vorstellung von Kommunikation oder chinesischer Technik, die ja in China selbst verboten ist oder reguliert ist, den Diskurs in Europa definieren.“ Die sozialen Medien seien in ihrer unregulierten Form „inzwischen nicht mehr akzeptabel“. Der freie Informationsfluss auf X (der zu Twitter-Zeiten während der Corona-Pandemie im Übrigen auf staatliche Weisung hin tatsächlich schon einmal unterdrückt worden war) ist dem grünen Wirtschaftsminister offensichtlich ein Dorn im Auge, und die Vermutung liegt nahe, dass dies vor allem an der gegenwärtig schlechten Konjunktur grüner Ideen auf dem freien Meinungsmarkt liegen dürfte.
Mehr Regulierung (wie in China – ernsthaft?), man könnte auch das unschöne Wort Zensur verwenden, das ist Habecks Lösungsidee gegen die von ihm so wahrgenommene „Polarisierung“, ja „Destabilisierung“ der Gesellschaft, die er finsteren Akteuren auf den Sozialen Medien zuschreibt. Doch die Zeiten, in denen man mit solch grobschlächtigen Feindbildern politische Mehrheiten hinter sich bringen konnte, sind möglicherweise vorbei. Gute öffentlich-rechtliche, böse soziale Medien: Diese gerade von Politikern des linken Lagers gern vertretene Denkschablone überzeugt immer weniger. Dass die Ministerpräsidenten offenbar zögern, die bürgerfinanzierten Geldhähne der Medienanstalten wie gewohnt weiter aufzudrehen, lässt auch darauf hoffen, dass die von Habeck und Co. anvisierte Marschrichtung hin zu einer stärker regulierten öffentlichen Debatte nur die autoritäre Fantasie eines Möchtegern-Kanzlerkandidaten bleibt, dessen Partei die Deutungshoheit in der öffentlichen Debatte zusehends entgleitet.
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