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Guter Vizekanzler, schlechter Wirtschaftsminister

Robert Habeck ist der beste Kommunikator der Regierung. Seine wirtschaftspolitische Bilanz ist dagegen erschreckend.
Robert Habeck ist der beste Kommunikator der Regierung.
Foto: Soeren Stache (dpa) | Trittsichere Vertretung Deutschlands auf dem internationalen Parkett, tolle Kommunikation nach Innen: Robert Habeck. Für einen Wirtschaftsminister zählen jedoch auch noch andere Kriterien.

Auf „X“ trendet der Hashtag „Habeck4Kanzler“, und auch das ZDF titelt: „Spricht da ein potentieller Kanzler“? Nun hätten einige im öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck sicher auch bei der letzten Bundestagswahl gern als Kanzlerkandidaten gesehen, doch der Hype scheint nicht auf sowieso gewogene Milieus beschränkt: Habeck bekommt aus allen politischen Richtungen jede Menge Lob. Wofür? Für eine auf „X“ veröffentlichte, überaus staatstragende Neun-Minuten-Rede, in der er die deutsche Solidarität zu Israel und den Kampf gegen den Antisemitismus jeder Couleur im eigenen Land in wohlklingenden Worten begründet. „Erforderlich, argumentativ stark, und gut begründet“, zeigt sich da auch der ehemalige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet begeistert.

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Nun hat Habeck den Ton wirklich gut getroffen. „Natürlich muss sich Israel an das Völkerrecht und internationale Standards halten. Aber der Unterschied ist: Wer würde solche Erwartungen je an die Hamas formulieren?“ – das ist so viel klarer als Annalena Baerbocks gequälte Erklärungsversuche, warum eigentlich Deutschland kürzlich nicht gegen die UN-Resolution gestimmt habe, die Israel ein Recht zur Selbstverteidigung in der Praxis abspricht. Habecks Rede klingt, auch darauf haben schon einige Beobachter hingewiesen, ein bisschen wie eine Retourkutsche auf die Kompetenz-Selbstzuschreibung der Außenministerin und innerparteilichen Konkurrentin Habecks, sie komme „vom Völkerrecht“. Vielleicht war Baerbock tatsächlich nicht nur die schlechtere Kanzlerkandidatin, sondern ist jetzt auch die schlechtere Außenministerin.

Die „Energiewende“ ist eine Katastrophe

Das Problem bei diesen Gedankenspielen ist nur: Sie helfen niemandem. Habeck ist momentan vereidigter Wirtschaftsminister, und als solcher nicht primär der politischen Kommunikation zu Themen der Innen- und Außenpolitik verpflichtet, sondern der Aufgabe, die deutsche Wirtschaft vor dem kurz- und mittelfristigen Absturz zu bewahren. Und in dieser Hinsicht sieht Habecks Bilanz entschieden weniger rosig aus. Der (nicht Habeck anzulastende) Ausstieg aus dem billigen russischen Gas hat die Schwächen der aus grüner Ideologie geborenen, seit 20 Jahren mit enormem finanziellem Einsatz betriebenen „Energiewende“ schonungslos offengelegt. Die inhärente Unsicherheit erneuerbarer Energien, die nicht „grundlastfähig“ sind, in der Bereitstellung dennoch sehr hohe Investitionskosten verursachen, und die dadurch notwendige Vorhaltung sowie der Betrieb von Gas- und Kohlekraftwerken führen zu Strompreisen, unter denen ein guter Teil der deutschen Industrie nicht konkurrenzfähig produzieren kann. Völlig klar ist, dass in dieser Situation der Atomausstieg, also die Abschaltung längst abgeschriebener bestens funktionierender Kernkraftwerke, ein wirtschaftliches Selbstmordkommando war – eines, das Habeck und seine Grünen maßgeblich zu verantworten haben.

An die Realisierbarkeit von Habecks Vorhaben, die Probleme nun mit Subventionierung durch einen Industriestrompreis zu überbrücken, bis irgendwann das Energiewende-Paradies gekommen ist, und billiger Strom tatsächlich sicher verfügbar ist, glauben weder Fachleute, noch seine eigenen Koalitionspartner. Habeck täte also gut daran, sein rhetorisches Talent darauf zu verwenden, seiner eigenen Partei eine realistische Wirtschafts- und Energiepolitik zu vermitteln. Denn wenn für die deutsche Wirtschaft die Lichter ausgehen, brechen auch die Voraussetzungen dafür weg, außen- und innenpolitisch effektiv zu regieren. Bessere Integration, und damit auch der Kampf gegen Extremismus und Antisemitismus, hängt an einem starken Arbeitsmarkt; außenpolitischer Einfluss mittelbar an finanziellen Spielräumen. Es liegt an Habeck, dafür günstige Voraussetzungen zu schaffen.

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