Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Scholz‘ dritte Afrika-Reise

Der Drahtseilakt des Kanzlers

Die deutschen Interessen in Ghana und Nigeria voranzutreiben ist Olaf Scholz bei seiner Reise nicht gelungen. Stattdessen wurde ihm eine Standpauke gehalten.
Bundeskanzler Olaf Scholz in Afrika
Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich (www.imago-images.de) | Egal, welche politischen Maßnahmen die Bundesregierung in ihrer Afrikapolitik ergreift: Der Vorwurf des Egoismus lässt meist nicht lange auf sich warten.

„Wir brauchen keinen Retter aus dem Westen." Der Satz, den eine junge Maschinenbaustudentin Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Ghana an der Ashesi Universität entgegenschleudert, hat es in sich. Viel wird nun in Bezug auf Afrika von deutschen Politikern von einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ gesprochen. Dass Deutschland es ernst damit meint, soll nicht nur der bereits dritte Besuch des Kanzlers auf dem Kontinent seit seinem Amtsantritt zeigen, sondern auch die Entschuldigung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch in Tansania für deutsche Kolonialverbrechen in dem ostafrikanischen Land. „Wenn wir mit den Chinesen sprechen, bekommen wir einen Flughafen. Wenn wir mit den Deutschen sprechen, bekommen wir Belehrungen“, brachte die Chefin der Welthandelsorganisation, Ngozi Okonjo-Iweala, vor deutschen Botschaftern das Gefühl, von Deutschland herablassend behandelt zu werden, auf den Punkt. 

Kein Erfolg bei Rückführungsabkommen 

Dabei wäre es von großer Bedeutung, dass der Kanzler auf dem Nachbarkontinenten Vertrauen gewinnt. Denn die Anliegen, mit denen er im Koffer nach Afrika reiste, benötigen Überzeugungsarbeit: Die Lieferung von Gas, das Anwerben von Arbeitskräften für den unterbesetzten deutschen Arbeitsmarkt und die Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern. Etwa 13.800 ausreisepflichtige nigerianische Bürger halten sich aktuell in Deutschland auf. Die meisten von ihnen sind geduldet, weil sie keine Papiere haben – bislang nehmen die Herkunftsländer ihre Bürger ohne Originalausweispapiere nicht zurück, und auch nach der Reise des Kanzlers hat sich diesbezüglich nichts bewegt. Ein schlechtes Zeugnis für den Kanzler, der versprochen hat, den Migrationsdruck auf Deutschland einzudämmen. 

Lesen Sie auch:

Dass Scholz nun mit leeren Händen von seiner Reise zurückkehrt, liegt auch daran, dass die „wachsende Partnerschaft“, wie Scholz es formulierte, in Afrika mit sehr viel weniger Euphorie betrachtet wird als in Deutschland. Lange sei man von den europäischen Partnern kaum wahrgenommen worden und nun, da Europa seine Ressourcen diversifizieren wolle, wird auf einmal von einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ gesprochen, so die Stimmung. Unter afrikanischen Regierungschefs wird dieser Sinneswandel mit einem gewissen Gefühl der Genugtuung und des Hohns betrachtet. 

Deutschland wird als Zielland zunehmend unattraktiv 

Eine hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen afrikanischen Ländern und schlechte Zukunftsperspektiven lassen viele Afrikaner zwar nach wie vor von einem Leben in Europa träumen. Doch wenn es praktisch an die Auswanderung geht, wählen die meisten afrikanischen Arbeitskräfte Kanada, England oder die USA – Staaten, in denen Englisch gesprochen wird und sie nicht erst mühsam eine neue Sprache lernen müssen. Oder sie wenden sich an das ebenfalls heftig vom demografischen Wandel betroffene China, das großzügig Stipendien an Afrikaner verteilt.

Deutschland wird auch wegen den hohen bürokratischen Hürden, die der Erwerb eines Arbeitsvisums mit sich bringt, kombiniert mit den verstärkten Bemühungen der Bundesrepublik, irreguläre Migration zurückzudrängen, zusehends als unattraktives Ziel gesehen. Denn das Bild, das dadurch bei den jungen arbeitsfähigen Menschen entsteht, ist, dass sie nicht willkommen sind. Dass es für ausgebildete Fachkräfte nun leichter werden soll, ein Arbeitsvisum für Deutschland zu bekommen, sorgt aber nicht unbedingt für größere Begeisterung. Denn der Kontinent nimmt zunehmend selbst sein Potenzial wahr und möchte dieses nutzen. Für den Aufbau einer stärkeren Wirtschaft braucht der Kontinent aber selbst seine schlauen Köpfe.

Misstrauen gegenüber Deutschland 

Deshalb sind Länder wie Ghana, in denen keine so große Arbeitslosigkeit wie in Nigeria herrscht, nicht begeistert davon, wenn ihre qualifizierten Kräfte abgeworben werden sollen. Ein anderer Student an der Ashesi Universität sagt dem Bundeskanzler, dass es ihm nicht darum gehe, woanders hinzugehen, sondern um die Entwicklung des eigenen Kontinents. 

Entsprechend werden auch Anwerbe-Abkommen mit Argwohn gesehen und lässt der Vorwurf nicht lange auf sich warten, Deutschland wolle seinen Arbeitsmarkt durch afrikanische Migranten retten – unabhängig davon, ob diese auch in ihrer Heimat gebraucht würden. Egal, welche politischen Maßnahmen die Bundesregierung ergreift: Der Vorwurf des Egoismus lässt meist nicht lange auf sich warten. Zwischen diesen verschiedenen Haltungen des Misstrauens zu balancieren, ist ein Drahtseilakt für den Kanzler, der kaum zu schaffen ist. Ein falscher Tritt könnte die Interessen Deutschlands auf dem Kontinent schwer gefährden. 

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Veronika Wetzel Migranten Olaf Scholz

Weitere Artikel

Kirche

Polemik, Intransparenz und rechtsfreie Räume konterkarieren das Ideal der bischöflichen Communio.
02.05.2024, 21 Uhr
Regina Einig
2003 sprach Papst Johannes Paul II. einen Priester heilig, durch dessen geistliche Schule viele der Märtyrer gegangen waren: José María Rubio.
02.05.2024, 11 Uhr
Claudia Kock