Aber nein, was seit tausend Tagen in der Ukraine geschehe, sei doch nicht unser Krieg. Das suggerieren uns Publizisten, Propagandisten und Parteien, die einfach nicht verstehen wollen, warum der böse Westen Sanktionen gegen das Putin-System verhängt oder seine Energie-Versorgung von Moskau mehr und mehr abkoppelt. Damit schade man doch nur sich selbst, aber nicht dem großen und unbesiegbaren Russland, heißt es dann. Die Motive solcher Argumentation sind vielfältig: Da sind die ertragreichen Russland-Geschäfte, die ideologische Nähe, die Begeisterung für das große Russland und seinen beeindruckenden Führer, aber auch echte Angst vor der östlichen Atommacht.
Am Samstag drehte Russland dem neutralen Österreich das Gas ab. Ohne Vorwarnung, ohne Verhandlung, ohne irgendeine Rechtsgrundlage. Österreich ist ein kleines Land, das weder der NATO angehört noch zu den militärischen Unterstützern der Ukraine gehört. Schlimmer noch: Österreich laviert seit dem Kalten Krieg irgendwie zwischen dem Westen und Europa, tarnt das als Neutralität und versucht stets, mit beiden Seiten im Geschäft zu bleiben – der Mineralölgigant OMV ebenso wie der in Osteuropa bestens verdienende Bankengigant Raiffeisen und viele andere.
Putin demonstriert seine Macht
Seit den 1960er Jahren – den Kalten Krieg und die Putin-Kriege wienerisch belächelnd – ist die OMV mit der Sowjetunion bestens im Geschäft. Rund 80 Prozent des österreichischen Gasverbrauchs stammte zuletzt aus Russland. Wie gesagt, bis Samstag, denn da stoppte Gazprom seine Lieferungen. Offiziell, weil der russische Riese laut einem unabhängigen Schiedsgericht Österreich noch 230 Millionen Euro wegen unregelmäßiger Lieferungen schuldet, tatsächlich aber, weil Wladimir Putin damit ganz Europa seine Macht demonstrieren kann. Russland ist – wie Franz Josef Strauß bereits in den 1980er Jahren wusste – nur aus drei Gründen mächtig: wegen seines Vetorechts im UN-Sicherheitsrat, seinen Atomwaffen und seinen Gasvorkommen.
Putin setzt dieses Gas ein, um Abhängigkeiten zu schaffen, Angst zu schüren und zu erpressen. Wäre Österreich der Strategie der Putin-freundlichen FPÖ-Gang rund um Herbert Kickl gefolgt, müssten die Österreicher in diesem Winter frieren. So wie die Ungarn frieren müssten, wenn Gazprom ihnen das Gas abdrehen würde, weil der Putin-freundliche Viktor Orbán sein Land nicht aus der totalen Abhängigkeit von russischem Gas befreit hat. Österreichs schwarz-grüne Regierung war zumindest seit der russischen Invasion in der Ukraine vorsichtiger: Die Gasspeicher sind voll (zu 92 Prozent), alternative Importquellen stehen bereit.
Nicht nur die Ukraine - ganz Europa wird von Russland ins Visier genommen
Ob aus Naivität, aus ideologischer Nähe oder aus Angst: Die Putinisten irren, wenn sie behaupten, Putins Krieg gegen die Ukraine sei nicht unser Krieg. Das Regime im Kreml führt einen Krieg gegen das freie Europa, gegen die Selbstbestimmung der Europäer, gegen Rechtsstaatlichkeit und Vertragstreue. Militärisch führt Putin Krieg gegen die Ukraine (und auch gegen Moldau und Georgien, wo seine Truppen stehen), hybrid führt er Krieg gegen den Rest Europas. Nicht nur, aber auch mit der Gas-Waffe.
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