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Frankreich: Bürgerkonvent zur Euthanasie gestartet

Die gesellschaftliche Debatte um assistierten Suizid und Euthanasie nimmt an Fahrt auf. Christen befinden sich zunehmend unter Beschuss.
Bürgerkonvent zur Euthanasie gestartet
Foto: IMAGO/Andreas Poertner (www.imago-images.de) | Ein Bürgerkonvent soll die Frage beantworten, ob Euthanasie und / oder assistierter Suizid in Frankreich künftig erlaubt sein soll.

Heute am Freitagnachmittag hat in Frankreich der Bürgerkonvent begonnen, der über eine mögliche Neuordnung des Gesetzes zum Lebensende beraten soll. 173 zufällig nach Repräsentativitätskriterien ausgewählte Bürger werden bis März über die Frage tagen, ob und in welchen Grenzen zukünftig der assistierte Suizid und/ oder Euthanasie legalisiert werden soll. Zu den Auswahlkriterien für die teilnehmenden Bürger gehörten Geschlecht, Alter, Wohnort (Stadt/Land), Herkunftsregion, Niveau des Schulabschlusses und sozio-professionelle Kategorie.

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Laizistischer Kampf

Die Frage, die der Bürgerkonvent beantworten soll, lautet: „Ist der (gesetzliche) Rahmen für die Begleitung des Lebensendes den verschiedenen auftretenden Situationen angemessen oder sollten eventuelle Änderungen eingeführt werden?“ Das aktuelle Gesetzt Claeys-Leonetti stammt von 2016 und erlaubt eine bis zum Tod fortgesetzte Tiefensedierung, verbietet aber assistierten Suizid und Euthanasie und empfiehlt einen flächendeckenden Ausbau der Palliativmedizin.

In welchem Maße assistierter Suizid und Euthanasie die gesellschaftliche Debatte bestimmt, zeigt unter anderem ein gestern im Wochenmagazin und Onlineportal „L’Express“ erschienener Gastbeitrag von 50 französischen Intellektuellen, darunter der Philosoph Raphael Enthoven und der Historiker Jean-Marc Schiappa, Vater der Staatssekretärin Marlène Schiappa. Die Unterzeichner machen aus der Debatte um das „Recht auf ein Sterben in Würde“ einen „laizistischen Kampf“. In dem Text heißt es: „Seit Monaten erheben übrigens verschiedene religiöse Führer ihre Stimme zu diesem Thema. Dass sie die Position ihrer Kirche in unserer pluralistischen Demokratie zum Ausdruck bringen, ist ihr Recht, aber dass sie sich auf ihren Glauben berufen, um zu versuchen, diese Debatte zu verhindern, den Austausch mit Bann-Androhungen zu unterbinden und unsere Institutionen im Namen ihres Glaubens zu bedrohen, ist inakzeptabel.“ Verfasst wurde der Beitrag von Pierre Juston, leitendes Mitglied der französischen Euthanasielobby „Association pour le droit de mourir dans la dignité“. 

Beteiligung der Bürger

Zu den Verfechtern eines Verbots der Euthanasie gehören neben einer großen Mehrheit des medizinischen Corpus – laut einer Umfrage von OpinionWay im September handelt es sich um 90 Prozent der Ärzte – katholische Lebensschutzvereine und Einzelpersonen. Nach dem aufsehenerregenden Positionswechsel des Nationalen Ethikrates im September hatten unter anderem auch die katholischen Bischöfe in einer vorsichtigen Erklärungvor einem Dammbruch in Richtung Euthanasie gewarnt.  

Emmanuel Macron hatte bereits im Präsidentschaftswahlkampf durchscheinen lassen, dass er die Frage durch eine breite Beteiligung der Franzosen entscheiden lassen wolle. Im vergangenen September hatte der Nationale Ethikrat in einem Positionspapier die Tür für eine „ethische Anwendung der Sterbehilfe“ in einem engen gesetzlichen Rahmen geöffnet. Der Rat für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (CESE) ist für die Ausrichtung des Konvents zuständig. Bei diesem Gremium handelt es sich um eine von der Verfassung vorgesehene Einrichtung bestehend aus Repräsentanten aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Der Präsident des CESE, Thierry Beaudet ist seit der Veröffentlichung eines Gastbeitrags 2020 im „Journal du dimanche“ als Verfechter der Euthanasie bekannt, damals noch als Präsident des Verbandes der privaten Krankenversicherungen.

Erste Sitzung eröffnet

Premierministerin Elisabeth Borne eröffnete die erste Sitzung des Konvents. Dieser wird in drei Phasen über neun dreitägige Sitzungen hinweg bis zum 19. März stattfinden. Während der Sitzungen werden die ausgewählten Bürger sich anhand eines umfangreichen Informationspakets mit dem bestehenden Rechtsrahmen und den zentralen Begriffen vertraut machen. Ein Teil der Sitzungen wird Anhörungen von nationalen und internationalen Experten, Mitgliedern des Ethikrats und medizinischem Personal gewidmet sein. Am 19. März soll der Konvent Premier Borne seine Empfehlungen überreichen. Ob dann ein Parlamentsentscheid oder ein Referendum ansteht, ist noch offen. DT/fha

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