Ab Oktober sollen Frankreichs Bürger in einem breit angelegten Prozess über die Öffnung der Gesetzgebung hin zum assistierten Suizid und zur Euthanasie beraten. Dies gab der Präsidentenpalast am Dienstag in einer Mitteilung bekannt. Die Ergebnisse des sogenannten Bürgerkonvents werden für März 2023 erwartet.
Bruch mit bisheriger Linie
Die Ankündigung erfolgte unmittelbar nach der Veröffentlichung eines Positionspapiers des Nationalen Ethikrats (CCNE) zu Fragen des Lebensendes. In dem am Dienstagmorgen veröffentlichten Text brechen die Mitglieder des Ethikrates mit ihrer bisherigen Linie, die mit dem aktuellen, gesetzlich festgeschriebenen Tötungsverbot übereinstimmte. Das aktuelle Gesetz Claeys-Leonetti von 2016 verbietet die Sterbehilfe, autorisiert aber eine tiefe, fortgesetzte Sedation bis zum Tod. So gebe es „einen Weg für eine ethische Anwendung der aktiven Sterbehilfe“.
Diese Möglichkeit sollte nach Ansicht des Nationalen Ethikrats volljährigen Personen offenstehen, die an einer schweren, unheilbaren Krankheit leiden, die therapieresistente physische oder psychische Leiden hervorruft und mittelfristig zum Tod führt. Der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe müsse von einer Person ausgesprochen werden, die über ihre autonome Entscheidungsfähigkeit verfüge und die ihren Wunsch informiert und wiederholt ausspreche.
Türöffnung Richtung Euthanasie
Gleichzeitig öffnet der Ethikrat auch eine Tür in Richtung Euthanasie, denn es bedeute eine Ungleichheit wenn diejenigen, die physisch zu diesen Bedingungen nicht in der Lage seien, aus dem Geltungsbereich des Gesetzes fielen: „Der CCNE überlässt es dem Gesetzgeber, die geeignetste Vorgehensweise zur Regelung dieser Situationen zu bestimmen, wenn er sich dieses Themas annimmt“, heißt es wörtlich in der Erklärung.
Eine Neuregelung des Gesetzes zum Lebensende müsse, so der Ethikrat, untrennbar mit einer Verstärkung der Palliativmedizin verbunden werden und bestimmten ethischen Kriterien folgen. Acht Mitglieder des Ethikrats haben einen Vorbehalt zur Stellungnahme des Gremiums geäußert.
Der Bürgerkonvent wird vom nationalen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrat organisiert. Dieser hatte sich bereits 2018 für aktive Sterbehilfe ausgesprochen. Während des Bürgerkonvents sollen in jeder Region offene Bürgerdebatten ausgerichtet werden. Wie das neue Gesetz am Ende zustande kommt, durch Volksentscheid oder parlamentarische Abstimmung, ist noch offen. DT/fha
Lesen Sie weitere Berichte zur geplanten Neureglung der Euthanasie-Gesetze in Frankreich in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".