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Frankreich: Samenspende nicht mehr anonym

In Zukunft können Kinder, die aus einer Keimzellspende entstanden sind, bei ihrer Volljährigkeit Namen, Geburtsdatum und physische Charakteristiken des oder der Spenderin erfahren
Samenbank in Karlsruhe
Foto: Uli Deck (dpa) | In der Samenbank eines Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe werden Samenspenden aus einem Kühlbehälter entnommen, die bei ca. - 170 Grad mit der Kryokonservierung gefroren sind.

Mit dem 1. September erhalten Kinder in Frankreich, die mithilfe einer gespendeten Keimzelle gezeugt werden, das Recht auf die Kenntnis ihrer biologischen Herkunft. Ab ihrer Volljährigkeit können sie Namen, Vornamen, Geburtsdaten und Informationen zum äußeren Erscheinungsbild, des Berufs ihres Spenders oder ihrer Spenderin, sowie dessen oder deren Motivation zur Keimzellspende erfahren. Ab jetzt müssen daher Spender von Samenzellen und Eizellen (Oozyten) vor ihrer Spende eine entsprechende Erklärung zur Freigabe der genannten Daten unterzeichnen.

Bruch mit bisheriger Praxis

Die Gesetzesreform wurde mit dem umfassenden Bioethik-Gesetz vom 2. August 2021 beschlossen, welches unter anderem die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung auch für alleinstehende Frauen und lesbische Paare eröffnet. Es bricht mit der strikten Anonymität, die in Frankreich seit 1994 für das Spenden von Samen- und Eizellen galt. Seitdem wurde die Zahl der jungen Erwachsenen, die sich auf die Suche nach ihrer biologischen Herkunft machte, immer größer. Bekannt ist unter anderem der Fall der jungen Rechtsanwältin Audrey Kermalvezen, die den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung ihres Rechts auf die Kenntnis ihrer Herkunft angerufen hatte. Sie und ihr Mann Arthur haben gemeinsam die Betroffenenorganisation „Origines“ gegründet. Sie ermutigt ihre Mitglieder, mithilfe von Gentests ihre biologische Herkunft zu ermitteln.

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Allerdings: Die neue Regelung tritt nicht rückwirkend in Kraft: Spender, die vor diesem Datum Samenzellen oder Oozyten gespendet haben, behalten ihre Anonymität, soweit ihrerseits nicht anders gewünscht. Doch auch für diese Kinder hält das Gesetz ein Versprechen bereit: Eine neue Kommission, die dem Gesundheitsministerium untersteht, ist damit beauftragt, frühere Spender zu finden, zu kontaktieren und sie zu fragen, ob sie dazu bereits sind, gegenüber ihren biologischen Kindern ihre Identität preiszugeben. Umgekehrt können betroffene Spender sich direkt an die Kommission wenden und in die Freigabe ihrer Identität gegenüber möglichen Kindern einwilligen. Neben verschiedenen Ministerien sind in der Kommission auch Organisationen betroffener Kinder (Origines, PMAnonyme) sowie der Verein schwuler und lesbischer Eltern vertreten.

Kinder haben das Recht, Eltern zu kennen

Die Lebensschutzorganisation „Alliance Vita“ begrüßt die Reform zwar als eine Erleichterung für betroffene Kinder, erinnert aber daran, dass das eigentliche Problem der Eizellspende bestehen bleibt. „Das Bioethikgesetz fördert in seinen Rahmenbedingungen für den Zugang zur künstlichen Fortpflanzung zunehmend eine Form des Rechts auf ein Kind. Damit organisiert es Verletzungen der Rechte des Kindes, insbesondere der Rechte, die durch die Internationale Konvention über die Kinderrechte geschützt sind“, so die Pressemitteilung der Organisation. Unter die Kinderrechte falle das kindliche Recht, seine Eltern, soweit möglich, zu kennen und von ihnen aufgezogen zu werden. Auch beginne das Bedürfnis, seine Herkunft zu kennen, nicht erst mit der Volljährigkeit, sondern oft bereits in der frühen Kindheit. Ebenso bedeute die Aufhebung der Anonymität nicht, dass volljährige Kinder mit ihrem biologischen Vater oder ihrer biologischen Mutter in Kontakt treten können, die weiterhin frei entscheiden können, ob sie eine Beziehung akzeptieren oder nicht. Die Trennung eines Kindes von seinen Eltern sei eine schwere Prüfung für Eltern und Kind, erinnert „Alliance Vita“. „Diese Trennung absichtlich herbeizuführen, erweist sich als schwerer Angriff auf die Identität der Kinder.“

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Franziska Harter

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