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EU soll Finanzierung für Islamophobie-Bericht stoppen

Zeitung: Türkische Stiftung denunziert Kritiker eines politischen Islam als islamfeindlich. Die Schweizer Menschenrechtsaktivistin Saida Keller-Messahli wendet sich an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Plenarsitzung Europäisches Parlament
Foto: Philipp von Ditfurth (dpa) | Die Schweizer Menschenrechtsaktivistin Saida Keller-Messahli fordert mit weiteren Mitstreitern EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, die Finanzierung des Berichts über Islamophobie einzustellen.

Die Schweizer Menschenrechtsaktivistin Saida Keller-Messahli hat gemeinsam mit weiteren Mitstreitern EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgefordert, die Finanzierung des Berichts über Islamophobie durch die EU einzustellen. Der Hintergrund: Eine türkische Stiftung denunziere Kritiker eines politischen Islams als islamfeindlich. Dies berichtet die „Luzerner Zeitung“ am Mittwoch. Betroffen davon sei auch Saida Keller-Messahli. Gemeinsam mit anderen Intellektuellen, fordere sie nun, die EU solle die Finanzierung des Islamophobie-Berichts stoppen.

Die in Tunesien geborene Saida Keller-Messahli gilt als Stimme der liberalen Muslime in der Schweiz. Sie steht dem Forum für einen fortschrittlichen Islam vor. In Büchern und bei Medien-Auftritten warnt sie immer wieder vor der Ausbreitung eines politischen Islams. Laut „Luzerner Zeitung“ eckt sie mit ihrem Engagement regelmäßig an. Zum Beispiel bei der Seta-Stiftung. „Vor kurzem haben die türkische Denkfabrik, die eng mit Präsident Recep Tayyip Erdogan verbandelt ist, und die zwei österreichischen Politologen Farid Hafez und Enes Bayrakli den aktuellen europäischen Islamophobie-Bericht herausgegeben“, schreibt das Blatt. Die Europäische Kommission habe das mehr als 800 Seiten starke Werk mit rund 140.000 Franken (rund 128.000 EUR, A.d.R.) mitfinanziert.

Pauschal als „islamophob" gegeißelt

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Das Geld stamme aus dem Fonds zur Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Dialogs zwischen der EU und der Türkei. Dies sei umso brisanter, als im Bericht Intellektuelle, die sich kritisch mit einem politisch-extremistischen Islam auseinandersetzen, pauschal als „islamophob" gegeißelt würden – in einem Atemzug mit Rassisten und Rechtsextremisten. Als „Beweise“ der Islamfeindlichkeit würden zum Beispiel öffentliche Kommentare und Äußerungen in Medien zitiert, schreibt die Zeitung.

Im Kapitel über Österreich, wo Keller-Messahli häufig öffentlich auftritt, brandmarke die Seta-Stiftung die Menschenrechtsaktivistin als islamfeindlich. Gleiches gelte für die deutsche Rechtsanwältin Seyran Ates. Die Imamin einer liberalen Moschee in Berlin werde zudem als zentrale Figur eines europäischen Islamophobie-Netzwerkes denunziert. „Die Autoren werfen ihr unter anderem vor, das Kopftuchverbot an der österreichischen Grundschule verteidigt zu haben. Auch Ahmad Mansour, deutsch-palästinensischer Psychologe und namhafter Kämpfer gegen radikale Tendenzen, bekommt sein Fett ab. Sein Zitat des Anstoßes lautet, das Kopftuch sei Kindsmissbrauch“, schreibt die „Luzerner Zeitung“.

„Mit dem Kampfbegriff ,Islamophobie’ versuchen
islamistische Kreise, kritische Stimmen mundtot
zu machen und einzuschüchtern, indem sie
diese in einem Topf mit Rassisten werfen.“
Saida Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam

„Mit dem Kampfbegriff ,Islamophobie’ versuchen islamistische Kreise, kritische Stimmen mundtot zu machen und einzuschüchtern, indem sie diese in einem Topf mit Rassisten werfen“, sagte Keller-Messahli Ende Oktober der „Neuen Zürcher Zeitung“. Nun wehrt sie sich, so die „Luzerner Zeitung“, gemeinsam mit rund einem Dutzend „mitangeschwärzten Islamismus-Kritikern“ gegen den „anklägerischen Rapport der Seta-Stiftung“. In einem offenen Brief fordern die Unterzeichner EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen auf, den Geldhahn für den Bericht zuzudrehen.

Die Seta-Stiftung diene nicht dem zivilgesellschaftlichen Dialog zwischen der EU und der Türkei, sondern der Verlautbarung der Regierungslinie, zitiert die „Luzerner Zeitung“ aus diesem Brief. Das Ziel des Islamophobie-Berichts laute, jede kritische öffentliche Beschäftigung mit dem Islam hinten anzustellen, zu verhindern oder jedenfalls zu diskreditieren. Die Unterzeichner des Briefes kritisieren, mit dem Begriff Islamophobie würden zwei unterschiedliche Phänomene in einen Topf geworfen. „Feindschaft gegenüber und Diskriminierung von Muslimen auf der einen Seite und Religionskritik auf der anderen.“ Damit werde das Recht auf freie Meinungsäusserung und Gedankenfreiheit in Europa ernsthaft in Frage gestellt.

DT/mre

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