Manchmal melden Zeitungen nicht nur Nachrichten, sondern werden selbst zu einer: Das ist nun auch der „Welt am Sonntag“ mit einem Gastbeitrag von Elon Musk gelungen. Grundsätzlich gilt im publizistischen Geschäft: Je mehr Aufmerksamkeit, desto besser. Selbst negative Aufmerksamkeit ist zumindest Aufmerksamkeit. Wenn Konkurrenzmedien nun die Zeitung an den moralischen Pranger stellen, steckt auch eine Prise Neid dahinter. Wie der Branchendienst „Medieninsder“ meldet, kann die WamS schon jetzt einen Abo-Zuwachs aufweisen. Nicht wirklich verwunderlich, war wohl auch einkalkuliert – und das ist nicht ehrenrührig, denn ein Verlag muss Geld verdienen.
Neben dem Neid der lieben Kollegen sind viele Reaktionen auf den Beitrag von Musk aber vor allem ein Symptom für eine Gefühlsverfassung, die leider immer noch Teile des Establishments in Politik und Medien beherrscht: Es ist eine Mischung aus moralistischer Arroganz gepaart mit politischer Dummheit. Bei vielen Kommentatoren hat man den Eindruck, dass sie beim Lesen des Textes nicht viel weiter als bis zur Autorenzeile gekommen sind. Denn genau dann setzte schon die Entrüstung ein. Eigentlich könnten die AfD-Kritiker sich die Hände reiben. Denn Musks Analyse beweist vor allem eines: Sie ist intellektuell dürftig, belegt, dass er ganz offensichtlich von der Politik in Deutschland keine Ahnung hat, und dass sich auch seine disruptive Energie letztlich in pubertärer Schulhof-Pöbelei ausdrückt. Wenn das also nun der gefürchtete Vordenker und Tech-Tycoon einer weltweit operierenden Neuen Rechten ist, dann muss man vor seinen Gedanken keine Angst haben. Da ist nichts Visionäres, nichts Strategisches, sondern Musk präsentiert nur alte Hüte. Dass bei der Migrations-, Wirtschafts- und Energiepolitik in Deutschland viel im Argen liegt, weiß nun wirklich mittlerweile mit Ausnahme von einigen Biotopen der grünen Bionade-Bourgeoise jeder. Für diese Erkenntnis braucht niemand Musk.
Vergleich mit Weimarer Presse-Zar
Die deutsche Öffentlichkeit muss Musk nicht fürchten, aber sie sollte wissen, wie er denkt. Denn er gehört nun einmal zum engsten Kreis um Donald Trump, und die Beziehungen zu den USA sind für unser Land zentral. Beim Springer-Verlag gehört seit den Tagen des Verlagsgründers der Einsatz für ein gutes transatlantisches Verhältnis zur publizistischen DNA. Ob uns Musk gefällt oder nicht, wir werden mit ihm reden müssen. Natürlich muss dieser Diskurs kritisch sein. Aber auch zu dem Musk-Artikel gab es eine Gegenrede des neuen „Welt“-Chefredakteurs Jan Philipp Burgard, in der dieser vor allem vor dem Putinismus der AfD warnte.
Und schließlich gibt es in der Causa auch noch eine grundsätzlichere Ebene: Es macht wieder der Vergleich mit Alfred Hugenberg die Runde. Der Presse-Zar aus Weimarer Zeit stand nicht nur einem Medien-Imperium vor, er machte als Vorsitzender der Deutschnationalen auch Politik und am Ende Adolf Hitler zum Kanzler. Seither gilt es als Inbegriff für gefährliche Verleger von rechts. Schon Axel Springer wurde früher gerne von seinen linken Gegnern mit dem Geheimrat verglichen. Das war damals schon falsch. Und er stimmt auch jetzt nicht, wenn nun Mathias Döpfner entsprechend unter Beschuss genommen wird. Ganz offensichtlich gab es in der „Welt“-Redaktion, wie von verschiedenen Medien berichtet wird, Auseinandersetzungen über den Musk-Artikel. Wie sollte es auch anders sein? Solche Debatten sind Alltag im journalistischen Geschäft. Und dass sie stattfinden, ist kein Warnsignal für eine Gefährdung des Pressefreiheit, sondern genau das Gegenteil.
Also: Alle sollten in ihren Reaktionen abrüsten. Der Alarmismus nutzt nur der AfD, die ihn bestens für ihre Kampagne auszunutzen weiß.
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