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Holger Friedrich: Verleger der Krenz-Überschreitungen

Friedrich macht Geschichtspolitik, die die rote Diktatur reinwaschen soll: Zum öffentlichen Interview traf er Egon Krenz und sang Loblieder auf dessen „Humanismus“.
Egon Krenz und Holger Friedrich
Foto: Imago/Bernd Elmenthaler | Holger Friedrich und Egon Krenz auf der Bühne des Berliner Kinos „Babylon“.

Am Ende war dann die DDR irgendwie wohl doch der bessere deutsche Staat. Wenn, ja, wenn sie eben nur ihren ursprünglichen Idealen treu geblieben wäre. Das ist die geschichtspolitische Quintessenz eines Abends, der nun auch ein breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht hat, wie die DDR-Apologie gerade fröhliche Urständ feiert. Am vergangenen Montag treffen Holger Friedrich und Egon Krenz, der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR, auf der Bühne des Berliner Kinos „Babylon“ zusammen. Es geht um den dritten Band der Erinnerungen von Krenz „Verlust und Erwartung“. In ihrem Gespräch geben sie aber auch unfreiwillig Einblicke in ihre geschichtspolitische Agenda. Die Apologie der DDR erlebt eine Renaissance. 

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Zunächst ein Blick auf  Holger Friedrich. Der Verleger der „Berliner Zeitung“ setzt schon seit einiger Zeit entsprechende Akzente. Da ist einmal der Symbolgehalt des Blattes selbst, das 1945 als erste deutsche Zeitung nach dem Krieg gegründet wurde und dann  ab 1953 direkt dem Zentralkomitee der SED unterstand. Fortan lieferte es im Sinne der Staatspartei Nachrichten aus der „Hauptstadt der DDR“. Friedrich hat die Zeitung 2019 zusammen mit seiner Frau Silke gekauft. Von Beginn an war er ein aktiver Verleger, und hat intensiv daran mitgewirkt, seiner Zeitung ein inhaltliches Profil zu verleihen. Das zeigt sich vor allem im Blick des Blattes auf den russischen Angriffskrieg.

„Inhaltliche Missverständnisse“

Anders als die große Mehrheit der deutschen Medien wird hier die Strategie von EU und NATO kritisch betrachtet, nicht wenige Beobachter wollen eine Tendenz hin zur Apologie Russlands erkennen. Friedrich und sein Blatt werden jedenfalls von gar nicht wenigen, nicht zuletzt auch von Kritikern der dominierenden Blickrichtung aus dem konservativen Spektrum, als angebliche Vorkämpfer für Meinungsfreiheit gefeiert. Ein besonderer Triumph war dabei: Der bayerische Verfassungsschutz hatte der Zeitung eine „prorussische Nähe“ unterstellt. Nach massiven Protesten mussten die weiß-blauen Schlapphüte aber ihr Urteil zurücknehmen und sprachen von „inhaltlichen Missverständnissen“.

Und gewiss: Es ist in der Bundesrepublik ja nicht strafbar, dass ein Verleger seine Publikationen auf eine Grundausrichtung hin festlegt. So hat es Axel Springer auch einst gemacht, wenn natürlich auch mit einem gänzlich anderen Profil. Man könnte auch sagen: Friedrich ist so etwas wie der Anti-Springer. Daran ändert auch nichts, dass Mathias Döpfner, der große Mann des Springer Verlages der Gegenwart, zumindest ein kollegiales  Verhältnis zu Friedrich pflegt, sozusagen von Verleger zu Verleger. Die Anti-Springer-Agenda zeigt sich auch in der Haltung zur Situation im Nahen Osten und hier vor allem zu Israel.

Geschichte durch die krenzsche Brille

Friedrich hat gerade eine neue Publikation herausgebracht, allerdings mit einem alten, ehrwürdigen Namen: „Die Weltbühne“. In der Tradition schließt man also an Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky an, die in den 20er und 30er Jahren das Blatt zu einer der bedeutendsten Publikationen im linken Spektrum machten. Die neue wie die alte Weltbühne werde „mit der Freiheit“ gegen den Krieg kämpfen, so schreiben die Herausgeber Thomas Fasbender, der in der „Berliner Zeitung“ auch das Ressort für Geopolitik leitet und von 2019 bis 2022 für den russischen Sender RT DE tätig war, und Behzad Karim Khani. Den prägenden inhaltlichen Akzent setzt Deborah Feldman, die in einem Beitrag dem Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“, Philipp Peyman Engel, unterstellt, dieser habe überhaupt keine jüdischen Wurzeln. Die Medienberichte über die Kampagne verschafften der neuen Publikation auch sofort Aufmerksamkeit. 

Sasses Woche in Berlin
Foto: privat / dpa/Montage pwi | Woche für Woche berichtet unser Berlinkorrespondent in seiner Kolumne über aktuelles aus der Bundeshauptstadt.

Doch nun zurück in den Kinosaal: Egon Krenz, anderes ist wohl auch nicht von ihm zu erwarten, nutzt die Gelegenheit, um seine Sicht auf die Geschichte an den Mann zu bringen. Da ist zunächst einmal der Mythos von der DDR als einem Friedensstaat . Die innerdeutsche Grenze ist dann natürlich nicht die widernatürliche Mauer, die sich mitten durch Deutschland zieht, sondern weiterhin der Schutzwall, der vor der imperialistischen Bedrohung aus dem Westen schützt. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass Krenz dann entsprechende Parallelen zur Gegenwart zieht.

Die neue Pointe in der DDR-Apologie setzt Friedrich. Und zwar, indem er penetrant versucht, Krenz zu einem „Staatsmann der Gewaltlosigkeit“ zu stilisieren. Ohne Zweifel: Dass es nach der Amtsübernahme durch Krenz nicht zu Gewaltexzessen zwischen den staatlichen Sicherheitsorganen und den Demonstranten kam, das ist ein historisches Verdienst.

Es ist auch verständlich, wenn Friedrich anmerkt, der damals bei der Armee war, dass er Krenz persönlich für diese Entwicklung dankbar sei. Schließlich wäre er ja als Armeeangehöriger bei solchen Aktionen zum Einsatz gekommen. Krenz und mit ihm die DDR-Elite habe gewusst, „was man tut und was man nicht tut“. Dank des Humanismus, der die DDR geprägt habe, habe sie über universelle Werte verfügt, die damals zur Anwendung gekommen seien. 

DDR-Apologie vor einer Renaissance

Das richtige Stichwort für Krenz, der dann ausführt: „Das verdanke ich der DDR-Schule, wir sind zum Humanismus erzogen worden.“ Wie wichtig das Friedrich ist, beweist dessen launige Bemerkung: Sein Hinweis an die Kollegen von der Presse sei hier, sie sollten mitschreiben. Und in der Tat, hier liegt das Neue dieser Geschichtspolitik: Die DDR wird als ein Land beschrieben, das offenbar über die geistigen Grundlagen verfügt habe, so eine zivilisatorische Großtat, wie den Verzicht von Gewalt in einer quasi revolutionären Situation, umzusetzen. Und Krenz ist dann der prominente Repräsentant dieser Tendenz.

Dazu passt, wenn Krenz später ausführt, dass ja auch er den Begriff der „Wende“ geprägt habe. Er habe dabei nicht an eine Entwicklung in Richtung Wiedervereinigung gedacht, sondern an eine Rückkehr zu den richtigen Idealen, die die Gründungsphase der DDR geprägt hätten. Das alles wird begleitet von anti-westlichen Spitzen Friedrichs. Etwa wenn der Verleger Krenz fragt – die beiden duzen sich übrigens durchgehend – , was der Ex-Staatsratsvorsitzende eigentlich gedacht habe, als er später von einem Staatsanwalt „mit transatlantischen Werten“ vor Gericht angegangen worden sei. 

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Das große neue geschichtspolitische Narrativ dahinter: Die eigentliche DDR, also die ihre Grundwerte – Humanismus etc. – war vielleicht doch der bessere deutsche Staat. Und gerade jetzt, wo der böse imperialistische Westen sein wahres Gesicht zeigt, sollte man sich an ihn erinnern. 
Der Abend im Babylon-Kino ist ein Signal: Die DDR-Apologie steht vor einer Renaissance. Interessant wird dabei sein, inwieweit sie nicht nur nach links, sondern auch nach rechts wirkt. In der „Jungen Freiheit“ wurde schon von der Friedrich-„Weltbühne“ als einer neuen „Tat“ geschwärmt – das war eine in den 30er Jahren sehr einflussreiche Zeitschrift im Umfeld der sogenannten „Konservativen Revolution“, deren Chef Hans Zehrer (er wurde nach dem Krieg enger Mitarbeiter von Axel Springer) damals Querfront-Konzepte entwickelte, also eine Verbindung zwischen Rechten und Linken. Man wird sehen, ob sich Holger Friedrich mit seinen bewussten „Krenz-Überschreitungen“ auch noch zum Querfront-Verleger entwickelt.  

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