Mit dem Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses, den vorgeburtlichen Bluttest zur Entdeckung chromosomaler Abweichungen zur Kassenleistung zu machen, bläst unsere „Solidargemeinschaft“ zum Halali auf Menschen mit genetischen Besonderheiten wie dem Down-Syndrom (Trisomie 21).
Die Folgen sind vorhersehbar – das zeigt ein Blick dorthin, wo eine solche kassenfinanzierte Rasterfahndung bereits „erfolgreich“ angewandt wird: In Island gibt es kaum noch Kinder mit Down-Syndrom.
Keine Therapie vor der Geburt
Ein drittes 21. Chromosom bedarf keiner vorgeburtlichen Therapie, sondern Zuwendung und Offenheit einer Gesellschaft, die für jede Spielart des Andersseins maximale Toleranz einfordert.
Nur eben nicht für Menschen, deren Anderssein nichts mit ihrer Sexualität zu tun hat - sie werden vorgeburtlich systematisch aussortiert, damit sie nicht zur Last werden. Paralympics demnächst nur noch mit Unfallopfern? Wo bleibt der gesellschaftliche und politische Aufschrei gegen diese Form von Rassismus? Es wurde viel darüber gesprochen, dass wir mit der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik vor zehn Jahren eine schiefe Ebene betreten haben.
Warnungen ignoriert
Alle Warnungen wurden in den Wind geschlagen – heute sind wir dem unteren Ende dieser schiefen Ebene ein ganzes Stück näher. Schon bald könnte Eltern die Krankenversicherung für ihr Kind mit Down-Syndrom verweigert werden, da sie ja die für die „Solidargemeinschaft“ kostengünstigere Alternative der Abtreibung abgelehnt haben.
Der Druck wächst, der Rutsch auf der schiefen Ebene nimmt Fahrt auf Richtung Euthanasie. Gerade wir Deutschen sollten wissen, was dort am Ende auf uns wartet. So wie wir unsere Großeltern gefragt haben, werden auch wir gefragt werden, was wir getan haben, um die Fahrt zu stoppen. Was werden wir dann sagen?
Die Autorin ist Bundesvorsitzende der „Aktion Lebensrecht für Alle e.V.“ (Alfa).
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