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Die Hintermänner der Hamas

Nicht ihre „arabischen Brüder“ stützen und beschützen die Hamas, sondern die Autokraten in Teheran, Moskau und Ankara.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Nicht überraschend ist die Parteiname des türkischen Präsidenten Erdoğan, der die Hamas zur „Befreiungsorganisation“ erklärte und am morgigen Samstag eine große Palästina-Kundgebung in Istanbul anführen will.

Den Schulterschluss der arabischen Nachbarstaaten, den die Hamas am Tag ihrer Terrorattacke vor 20 Tagen vehement einforderte, hat es bisher nicht gegeben – und wird es mutmaßlich auch nicht geben. Zu sehr sind die fragilen Systeme Ägyptens, Jordaniens, des Libanon aber auch anderer arabischer Staaten darauf bedacht, die salafistischen Bewegungen im eigenen Land niederzuhalten. Andere jedoch haben sich klar auf der Seite der Hamas positioniert, vor allem drei nicht-arabische Autokratien: das Mullah-Regime im Iran, Erdoğans Türkei und Putins Russland.

Die russisch-iranische Allianz wird immer enger

Teheran musste nicht nur über den ethnischen Graben des persisch-arabischen Gegensatzes springen, sondern sogar über den noch breiteren konfessionellen Graben der traditionellen schiitisch-sunnitischen Feindschaft. Dennoch unterstützte der Iran die sunnitischen Hamas-Terroristen, um Israel zu attackieren und eine israelisch-saudische Annäherung zu hintertreiben. Die Feindschaft zu Israel verbindet auch die vom Iran dirigierte schiitische Hisbollah-Miliz und die Hamas.

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Weltpolitisch wird die Allianz zwischen dem Iran und Russland immer enger. Teheran liefert Putin nicht nur Kampfdrohnen gegen die Ukrainer, sondern verhandelt jetzt sogar ein Freihandelsabkommen mit der von Moskau gesteuerten Eurasischen Wirtschaftsunion, das bis Jahresende unterschriftsreif sein soll. Die von Teheran inspirierte Attacke der Hamas auf Israel ist für Putin ein Geschenk: Der Nahostkonflikt lenkt die Weltöffentlichkeit von der Ukraine ab und bindet viel westliche Unterstützung. Die USA wird im Zweifel eher die Militärhilfe für Israel hinauf- und jene für die Ukraine zurückfahren.

Russisch-amerikanischer Stellvertreterkrieg

Kein Wunder, dass Moskau die Hamas-Attacke auf Israel mit keinem Wort verurteilte, sondern sogleich die Fühler in Richtung Hamas ausstreckte. Am Donnerstag wurde einer Hamas-Delegation in Moskau der rote Teppich ausgerollt. Damit wird die Frontstellung im Nahen Osten immer mehr zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA – ganz im Sinn der von Putin propagierten „neuen Weltordnung“: Moskau unterstützt alle Kräfte, die gegen die USA und ihre Partner sind.

Nicht überraschend ist die Parteiname des türkischen Präsidenten Erdoğan, der die Hamas zur „Befreiungsorganisation“ erklärte und am morgigen Samstag eine große Palästina-Kundgebung in Istanbul anführen will. Schon 2009 exponierte er sich als Israel-Kritiker, wie er sich 2011 im „Arabischen Frühling“ zum Wortführer der arabischen Straße gegen deren eigene Regierungen aufschwang. In Erdoğans Nachbarschaftspolitik wird der Phantomschmerz des Untergangs des Osmanischen Reiches sichtbar: Der türkische Präsident gibt sich noch immer der Illusion hin, ein Kalif der Herzen für die sunnitischen Araber werden zu können. Sein Engagement für die Hamas beruht auf diesem Missverständnis.

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