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Die Angst vor dem russischen Wolf

Schon mehrmals haben die USA verkündet, eine russische Invasion in der Ukraine stehe unmittelbar bevor. Der Westen aber muss dauerhaft auf der Hut sein, um nicht auf Putins Spiel hereinzufallen.
Ukrainischer Soldat an der Front
Foto: Evgeniy Maloletka (AP) | Ein ukrainischer Soldat an der Trennlinie zwischen dem von der Ukraine gehaltenen Gebiet und dem von den Rebellen gehaltenen Gebiet in der Ostukraine.

Dass sich der kalte Krieg im Osten Europas noch nicht zu einem heißen entwickelt hat, ist auch den Bemühungen des Westens um eine diplomatische Lösung der Krise zu verdanken. Angesichts der seit Wochen andauernden Drohkulisse stehen die Staaten der nordatlantischen Allianz ungewohnt geeint zusammen. Dass man an einem Strang ziehe und zu „beispiellosen“ Sanktionsmaßnahmen bereit sei, betonte die US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein weiteres Mal. Und nun erklärte sich sogar der amerikanische Präsident Joe Biden bereit, sich zu Gesprächen mit Russlands Machthaber Wladimir Putin zu treffen – sollte Russland die Ukraine nicht angreifen.  

Der Truppenaufmarsch verheißt nichts Gutes

Dies kann man grundsätzlich nur begrüßen, auch wenn Fragen nach Zeitpunkt, Ort und Umständen solch eines Treffens noch völlig offen sind. Dennoch gibt auch das Verhalten der Amerikaner in dem schwelenden Konflikt zu denken. Schon mehrmals waren es Informationen von US-Geheimdiensten, die die Regierung Bidens öffentlich ankündigen ließen, eine russische Invasion in der Ukraine stehe unmittelbar bevor. Dazu kam es bislang jedoch nie. Auch am Sonntag sprachen wieder mehrere US-Medien davon, Biden habe von den Geheimdiensten neue Pläne erhalten, wonach Moskau bald einen Einmarsch in das westliche Nachbarland plane. Wird der US-Präsident wieder von einer unmittelbar bevorstehenden Invasion sprechen? 

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Die Amerikaner sind sicher weit davon entfernt, mit ihrer Rhetorik eine Eskalation herbeireden zu wollen. Und der fortschreitende Aufmarsch russischer Truppen an Grenze zur Ukraine verheißt in der Tat nichts Gutes. Ein fahler Beigeschmack bleibt dennoch. Wer immer wieder den Wolf herbeischreit, ohne dass dieser sich tatsächlich zeigt, läuft Gefahr, eine gewisse Ermüdung zu erzeugen. Und nimmt in Kauf, dass die Wachsamkeit und internationale Aufmerksamkeit im Ernstfall nicht auf ihrem Maximum stehen.

Das aber wäre fatal. Denn genau auf einen solchen Moment dürfte ein eiskalter Taktierer wie Putin warten. Er beherrscht das Spiel der Lüge, Täuschung und Desinformation. Der Westen muss weiter auf der Hut sein. Nicht an einem Mittwoch, oder einem Samstag. Sondern jeden Tag. Sonst fällt er auf Putins Spiel herein. 

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