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Deutschland an der Grenze

Im Land macht sich eine Migrationspanik breit. Der neue Grenzschutz hat eher eine symbolische Wirkung und ist keine dauerhafte Lösung. Der ganze Themenkomplex berührt auch das Verhältnis zwischen Politik und Kirche.
Grenzkontrollen starten
Foto: IMAGO/ArnulfxStoffel (www.imago-images.de) | Die neuen Grenzkontrollen haben eher symbolische Qualität. Ob sie wirklich den Zustrom stoppen, ist doch sehr zu bezweifeln.

Grenzen zu setzen, das ist für Politiker eine ständige Aufgabe. Denn Politik muss das ordnen, was geschieht: Jene Ereignisse, die Tag für Tag unvermittelt aufploppen und auf unser Zusammenlebeben unmittelbar einwirken. Genau diese Wirkungen muss Politik so eingrenzen, einhegen, in Ordnung bringen, dass sie dem Gemeinwohl nicht schaden, im besten Falle ihm nutzen.

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Was das heißt, zeigt sich beim Streit um den Schutz der deutschen Grenzen in doppelter Weise. Einmal, weil hier ja ganz konkret die Staatsgrenzen so befestigt werden sollen, dass illegale Flüchtlinge abgewiesen werden. Zum anderen, weil Politiker hier zumindest versuchen, ein Phänomen einzugrenzen, das die deutsche Stimmungslage immer stärker bewegt. Es heißt: Migrationspanik. Eine Panik, die nicht durch Propaganda erzeugt wird, sondern die Menschen angesichts der Probleme umtreibt, die sie sehen.

In der deutschen Migrationspolitik läuft etwas schief

Der Alarmruf der Landräte vor wenigen Tagen, die ständigen Hilferufe von Kommunalpolitikern überhaupt und schließlich auch die Zahlen, nach denen ein Viertel aller Asylanträge in der EU im ersten halben Jahr in Deutschland gestellt worden sind, alles das ist nur der Begleitchor für das, was jedem Bürger, der Augen und Ohren offen hält, seit Monaten klar ist: In der deutschen Migrationspolitik läuft gewaltig etwas schief. Und es muss sich etwas ändern.

Und dann gibt es noch eine zweite Panik: Die Angst der etablierten Politiker, dass, wenn jetzt nicht schnell kraftvolle Zeichen gesetzt werden, die Parteien von den Rändern, AfD und BSW, profitieren. Freilich, dieser zweite Aspekt ist in hohem Maße selbst verschuldet. Denn zulange hatten viele Menschen den Eindruck, dass von den offensichtlichen Problemen, die sie vor ihrer Haustür tagtäglich beobachten konnten, in Berlin kaum jemand etwas wissen wollte.

Nun ist also die Not groß, Härte zu zeigen. Oder besser: zu simulieren. Denn die neuen Grenzkontrollen haben eher symbolische Qualität. Ob sie wirklich den Zustrom stoppen, ist doch sehr zu bezweifeln. Es mangelt schon allein an den dafür notwendigen Bundespolizisten. Darüber hinaus: Das ganze Procedere kollidiert mit dem europäischen Recht. Die Kontrolle sind in Ausnahmezeiten erlaubt. Wie lange sollen die andauern? Es ist verständlich, wenn die Regierung sich durch diese Maßnahmen eine kurze Atempause verschaffen will. Aber sie muss nun auch atmen, sprich: an tragfähigen Alternativen arbeiten. Das gilt auch für die christdemokratische Opposition. 

Humanität braucht Ordnung

Schließlich: Der ganze Themenkomplex berührt auch das Verhältnis zwischen Kirche und Politik. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, in der Bischofskonferenz für das Flüchtlingsthema zuständig, hat davor gewarnt, dass Asylrecht aufzuweichen, die europäische Rechtslage zu ignorieren oder durch markige Sprüche, die Stimmung noch weiter aufzuheizen.

Grenzen aufzeigen – das ist, wenn man so will, auch die Aufgabe der Bischöfe. Sie sind keine Politiker. Deswegen ist es gut, wenn sie sich dann zu Wort melden, wenn ihrer Meinung nach der öffentliche Diskurs solche Grenzsetzungen benötigt. Es ist der Bischofskonferenz sogar zu wünschen, dass sie so kraftvoll auch in anderen Politikfeldern immer wieder Grenzpfähle einrammt, von der Familienpolitik bis zum Lebensschutz.

Bedenken sollten Kirchenvertreter wie Politiker dabei: Humanität braucht Ordnung. Je geordneter das Gemeinwesen, umso effektiver kann humanitäre Hilfe geleistet werden. Und deswegen ist es Aufgabe der Politik, dem Chaos wirkungsvoll Grenzen zu setzen. Was aber tatsächlich wirkungsvoll ist, darüber muss immer und jederzeit gestritten werden. Gerne auch mit kirchlicher Beteiligung.

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