Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Argentinien

Deshalb gewinnt Javier Milei die Parlamentswahlen trotz Krise

Bei den Halbzeitwahlen in Argentinien gewann Mileis Partei „La Libertad Avanza“ überraschend deutlich. Der Sieg stärkt den Präsidenten politisch, doch die strukturellen Schwächen Argentiniens bleiben bestehen.
Mit mehr als 40 Prozent der Stimmen wurde Mileis Partei „La Libertad Avanza“ stärkste Kraft
Foto: IMAGO/Catriel Gallucci Bordoni (www.imago-images.de) | Mit mehr als 40 Prozent der Stimmen wurde Mileis Partei „La Libertad Avanza“ landesweit zur stärksten Kraft. Bemerkenswert ist, dass der Sieg auch in der Hauptstadt Buenos Aires gelang.

Am vergangenen Sonntag fanden in Argentinien Parlaments-Halbzeitwahlen statt, um die Hälfte der Abgeordnetenkammer (127 Abgeordnete) und ein Drittel des Senats (24 Sitze) neu zu besetzen. Diese Wahlen haben dem amtierenden Präsidenten Javier Milei unerwartet Rückenwind verschafft, und das trotz anhaltender wirtschaftlicher Turbulenzen im Land.

Lesen Sie auch:

Mit mehr als 40 Prozent der Stimmen wurde Mileis Partei „La Libertad Avanza“ landesweit zur stärksten Kraft. Bemerkenswert ist, dass der Sieg auch in der Hauptstadt Buenos Aires gelang, wo Peronisten und oppositionelle Provinzparteien zuletzt dominierten. Die Wahlen wurden zu einem Plebiszit über Mileis Kurs, und der Präsident geht gestärkt aus ihnen hervor.

Binnen Wochen schafft Milei die Trendwende

Im September 2025 hatte die peronistische Opposition bei den Kommunalwahlen in der Provinz Buenos Aires mit etwa 47 Prozent deutlich vorne gelegen und damit die anstehenden Parlamentswahlen zu einem vermeintlichen Stimmungstest für die Mitte-links-Kräfte erklärt. Doch Mileis Partei schaffte binnen Wochen die Trendwende. Analysten sprechen von einer enormen Mobilisierung: Milei verstand es, Unzufriedenheit und wirtschaftliche Erschöpfung gezielt in politische Energie zu verwandeln, besonders in urbanen Randgebieten, die zuvor als peronistische Bastionen galten.

Politisch verschafft das Wahlergebnis Mileis Regierung eine Sperrminorität in beiden Kammern, um präsidentielle Vetos durchzusetzen und die Reformagenda – von Marktliberalisierung bis zur strikten Fiskalpolitik – in Teilen abzusichern. Der US-Präsident Donald Trump hatte die Bedeutung von Mileis Kurs unterstrichen, indem er im Vorfeld US-Hilfen explizit an seinen Sieg koppelte und weitere Milliardenhilfe für Argentinien zusagte – vorausgesetzt, die Reformen würden vorangetrieben. Die spanische Zeitung „El Debate“ schreibt dazu: „Der Sieg von Javier Milei bei den Parlamentswahlen ist auch der Sieg des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Ohne ihn hätte der Löwe nicht so brüllen können wie gestern Abend.“

Trotz andauernder Inflation, sinkender Realeinkommen und sozialer Härten entschieden sich viele für Kontinuität. Argentinische Kommentatoren interpretieren dies als „Abstimmung aus Angst vor der Gegenwart“ – der Wahlerfolg geschah also weniger aus Begeisterung für Milei, sondern ist als Absage an die zerstrittene Opposition zu verstehen. Milei gab sich zuletzt versöhnlicher und setzte auf das Gefühl von Stabilität, während seine Gegner programmatisch uneins und organisatorisch fragmentiert blieben.

Die strategischen Schwächen des Peronismus offenbart

Die Wahl offenbarte zugleich die strategischen Schwächen des Peronismus. Manche argentinischen Beobachter sind der Meinung, es fehle der Bewegung ein gemeinsames Symbol und eine klare Linie zwischen kirchneristischer Rhetorik und lokalem Pragmatismus. Die Opposition bleibe orientierungslos, auch nach der Niederlage in Buenos Aires, die bislang als ihre letzte Festung galt.

Dennoch sind Mileis Handlungsspielräume begrenzt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Washington und die fragilen sozialen Verhältnisse setzen ihm enge Grenzen. Der Wirtschaftsexperte Carlos Pagni („La Nación“) sieht Mileis Kernherausforderung darin, „aus einer Bewegung des Zorns eine regierungsfähige Partei zu formen“. Gerade in Buenos Aires bleiben lokale peronistische Netzwerke, Gewerkschaften und Kommunalverwaltungen ein Machtfaktor, der den Reformkurs verzögern oder blockieren könne.

Der Wahlerfolg schürt Erwartungen, birgt aber auch Risiken: Jede Verzögerung bei wirtschaftlicher Erholung oder sozialer Besserung birgt die Gefahr, die neu gewonnene Legitimität schneller zu verlieren als aufgebaut. Internationale Stimmen, etwa „El País“ oder die „Deutsche Welle“, betonen das paradoxe Bild: Mileis Sieg bringt politische Konsolidierung, aber belässt Argentinien in einem Zustand struktureller Verletzlichkeit.

Der 26. Oktober steht somit für mehr als ein Wahlergebnis: Milei verankert sich als Institution, sein radikaler Diskurs erhält nationale Tiefe und symbolische Legitimität. Doch der politische Alltag bleibt von ökonomischer Unsicherheit, sozialer Brisanz und einer fragmentierten Oppositionslandschaft geprägt. Ob sich die Krisenmobilisierung in dauerhafte Regierungsfähigkeit übersetzen lässt und ob Milei mit dem Mandat des Erfolgs nachhaltigen Wandel gestalten kann, bleibt offen.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
José García Donald Trump Inflation Javier Milei Zorn

Weitere Artikel

Um das US-Außenhandelsdefizit zu beseitigen möchte Donald Trump Zinsen gesenkt sehen und erhöht die Zölle. Warum das nicht gut ausgehen kann.
03.04.2025, 13 Uhr
Pater Johannes Zabel OP
Premier Netanjahu hat bei Präsident Herzog ein Gnadengesuch eingereicht: für seine Prozesse wegen mutmaßlicher Korruption in drei Fällen. US-Präsident Trump macht Druck auf Herzog.
13.12.2025, 15 Uhr
Richard C. Schneider
Donald Trump erpresst und bestraft im Ukraine-Krieg das Opfer, doch er hofiert und belohnt den Aggressor. An Gerechtigkeit und Völkerrecht ist er schlicht desinteressiert.
22.11.2025, 11 Uhr
Stephan Baier

Kirche

Die Linkspartei erlebt einen Höhenflug. Doch ist er von Dauer? Gegen den Wiederaufstieg helfen nur zwei Dinge, schreibt Hubertus Knabe.
11.12.2025, 21 Uhr
Hubertus Knabe
„Quiet revival“ nun auch in Deutschland? Jüngere Menschen haben eher vor, an Weihnachten in die Kirche zu gehen. Das Vor-Corona-Niveau bleibt allerdings noch unerreicht.
12.12.2025, 14 Uhr
Meldung
Ulrich Lehner lehrt an einer der renommiertesten katholischen Universitäten der USA. Im Interview erzählt er, wie die Wahl von Papst Leo in Amerika aufgenommen wurde, und was die deutsche ...
12.12.2025, 08 Uhr
Sebastian Ostritsch