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David Dekorsi: „Der Glaube hat Konjunktur“

Katholisch sein und entsprechend die Gesellschaft prägen – diesem Anspruch folgt der Cartellverband katholischer deutscher Studentenverbindungen seit über 150 Jahren. Aber wie funktioniert das heute? Ein Gespräch mit Vorortspräsident David Dekorsi.
David Dekorsi, Andreas Pinkwart
Foto: Picasa | Diei Studentenbewegungen sind sehr bunt geworden, sagt der Vorortspräsident des Cartellverbandes katholischer deutschen Studentenverbindungen (CV), David Dekorsi (li.). Und die Studenten suchten nach Wahrheit und Werten.

Die Situation kennt jeder, der einmal studiert hat: Die ersten Tage an der Uni – alles ist fremd, alles ist neu. Bei David Dekorsi war es auch so. Er saß in der letzten Reihe des Hörsaals, fand die Vorlesung schrecklich und kam sich ziemlich einsam vor. Neben ihm ein Kommilitone, der offenbar ähnlich fühlt.  Schnell verständigt man sich, geht gemeinsam raus, die zwei verstehen sich, eine Freundschaft beginnt.

Der jüngste Vorortspräsident der Geschichte

Einige Zeit später nimmt der Kommilitone Dekorsi mit zu seiner Verbindung, der Novesia Bonn. Heute, fünf Jahre später, ist David Dekorsi Vorortspräsident des Cartellverbandes katholischer deutschen Studentenverbindungen (CV). An diesem langem Fronleichnam-Wochenende kommen rund 2 500 CVer in Bonn zu ihrer Cartellversammlung zusammen. Sie ist so etwas wie das Parlament des größten europäischen Akademikerverbandes.

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Die Zahlen sind durchaus eindrucksvoll:  30 000 Mitglieder hat der CV, sie sind in 125 Verbindungen in insgesamt acht Ländern organisiert, entscheidend dabei: 4 000 davon sind junge katholische Studenten. Der CV hat eine alte Geschichte, das Kommando führen aber die Jungen. Den Vorsitz führt jeweils eine Vorortskorporation, die auf der Cartellversammlung gewählt wird. Höchster Repräsentant ist der Vorortspräsident: David Dekorsi ist mit seinen 21 Jahren der Jüngste in der bisherigen Geschichte, im CV aber trotzdem schon ein alter Hase. Er hat nämlich bereits als Schüler ein sogenanntes Frühstudium begonnen und wurde auch damals schon aktiv.

Studenten suchen Stabilität, Kontinuität und Werte

Wer sich dem CV anschließen will, muss männlich und katholisch sein. Zudem bekennt er sich zu Prinzipien, die künftig seine Lebensführung prägen sollen: Dazu zählen das Bekenntnis zum katholischen Glauben (religio), zur Wissenschaft (scientia), zu einem lebenslangen Freundschaftsbund (amicitia) und auch zum Prinzip „patria“, in dem sich der Einsatz für das Gemeinwohl widerspiegelt. Jetzt könnte man denken, dass diese klare Ausrichtung eher hinderlich ist, um junge Menschen anzusprechen. Zumindest dann, wenn man dem glauben will, was man sonst von katholischen Jugendverbänden in Deutschland zu hören bekommt.

Doch Daniel Dekorsi schlägt hier ganz andere Töne an. „Ich bin der Meinung, der Glaube hat Konjunktur. Meine Erfahrung zeigt, junge Studenten suchen Stabilität, Kontinuität und eine Wertebasis.“ Und fügt hinzu: „Es mag manchmal so scheinen, dass eine Anpassung an den Zeitgeist Rückenwind verleiht. Ich bin aber der Überzeugung, wenn wir wirklich abheben, wenn wir fliegen wollen, müssen wir auch in der Lage sein, uns gegen den Wind zu stellen. Und den Mut dazu, den finden wir in unserem religio-Prinzip.“

Chance der Vielfalt

Im CV fänden junge Studenten eine Heimat, in der sie gemeinsam mit Freunden ihren Glauben leben könnten. „Es ist ja oft so, dass der Beginn des Studiums auch einen Schnitt im Glaubensleben markiert. Vorher ist man zusammen jeden Sonntag mit den Eltern in die Kirche gegangen. Bei einem Ortswechsel zum Studium besteht die Gefahr, dass das erst einmal wegfällt. Aber bei uns ist es ganz selbstverständlich, dass man nach dem Uni-Tag sagt, lasst uns doch noch gemeinsam eine Messe besuchen.“

Allerdings betont Dekorsi auch, dass längst nicht mehr jedes neue Mitglied eine klassische katholische Sozialisation mit einer Vergangenheit bei den Messdienern oder Pfadfindern mitbringe. „Wir sprechen schon lange nicht mehr nur ein bestimmtes Klientel an, wir sind sehr bunt geworden.“ Aber gerade darin liege eine große Chance. Denn durch ihre Aktivität im CV würden viele Studenten wieder neu für ihren katholischen Glauben begeistert.

Durst nach dem Evangelium

„Mein Eindruck ist, dass die Studenten etwas vom Evangelium hören wollen. Das geschieht bei uns. Dazu kommen die vielen persönlichen Gespräche über die Generationen hinweg, in denen sich die Mitglieder über ihren Glauben austauschen können.“ Schließlich spiegelt der CV auch die Vielfalt der Weltkirche wider, bestes Beispiel der aktuelle Vorort: Die Vorstandsmitglieder haben Wurzeln in Ungarn, Weißrussland oder Frankreich, eines ist in Los Angeles aufgewachsen.

Diese besondere Form der Gemeinschaft habe auch durch die Corona-Pandemie keinen Schaden genommen, im Gegenteil: „Gerade die Belastungen in der Corona-Pandemie haben unsere Cartellbrüder im Kreise ihrer Verbindungen gut bewältigt. Bei uns findet Gemeinschaftsleben statt“, betont David Dekorsi.

Beitrag für die Gesellschaft

Dabei ist dem Vorortspräsidenten wichtig, dass der Verband sich nicht selbst genügt. Dank ihrer Prinzipien sei den Studenten klar, dass sie sich in die Gesellschaft einbringen müssen.  Nach der Flutkatastrophe im letzten Sommer im Ahrtal wurden CV-Helferteams aktiv, Flutopfer auf den Verbindungshäusern aufgenommen und insgesamt 80 000 Euro Spenden gesammelt.

Genauso setzt der CV Akzente in der Hilfe für die Ukraine. „Wir haben Freundschaftsverbindungen in der Ukraine, deren Mitglieder, unsere ,Kartellschwestern', unmittelbar betroffen sind. Wir wollten sofort handeln. Daher hat der Cartellverband eine Spendenaktion initiiert, der aktuelle Stand liegt bei über 60 000 Euro. Schließlich haben wir eine Online-Plattform zur Vermittlung von Unterkünften und Arbeitsplätzen installiert und Familien bei uns aufgenommen“, berichtet der 21-Jährige.

Flagge zeigen!

Ureigenstes Interessengebiet ist natürlich die Hochschulpolitik. David Dekorsi und sein Vorort-Team möchten gerne eine Hochschulpolitische Konferenz einrichten. Jede Verbindung verfügt über einen hochschulpolitischen Referenten. Sie sollen künftig regelmäßig zusammenkommen und gemeinsame Positionen erarbeiten. Die Ergebnisse sollen auch an die Öffentlichkeit gehen. David Dekorsi wünscht sich, dass sich an den einzelnen CV-Standorten Hochschulgruppen bilden.

Dabei soll der CV nicht zu Partei werden. Aber die Mitglieder bekommen ein Forum, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen und werden motiviert, sich in den Studentenparlamenten zu engagieren. Für Dekorsi ein Beispiel, Tradition und den Willen, die Zukunft zu gestalten, zusammenzubringen. So sollen und können die katholischen Studenten im Sinne ihrer Prinzipien Flagge zeigen.

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Sebastian Sasse Weltkirche

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