Kommentar um "5 vor 12"

Das linke Bullerbü schmollt

In der Hauptstadt bahnt sich eine Große Koalition an. Die Ex-Partner der Sozis, die Linken und die Grünen, wittern Verrat.
Berliner SPD will mit CDU Koalitionsverhandlungen führen
Foto: Fabian Sommer (dpa) | CDU-Chef Kai Wegner steht vor einer schwierigen Aufgabe. Einerseits muss er die neue Koalition zusammenhalten. Andererseits kann es nicht in seinem Interesse sein, dass sich die SPD in den nächsten Jahren gut ...

Wie das ist, wenn man in einer Meinungsblase lebt, konnten die Fernsehzuschauer am Mittwochabend bei der ARD-Talkshow „Maischberger“ erleben: Angesichts der sich anbahnenden Großen Koalition in Berlin klagte die Publizistin Amelie Fried, dann sei in Zukunft ja gar nicht mehr das ökologisch-grüne Milieu in der Regierung repräsentiert. Eine bezeichnende Fehleranalyse: Denn Rot-Rot-Grün litt darunter, dass genau dieses Milieu überrepräsentiert war.

Für die Grünen ist ein Traum geplatzt

Auch ein erklecklicher Teil der Wähler sieht das so, die Abgeordnetenhauswahl hat es bewiesen. Aber davon lässt sich das linke und hippe Berlin nicht beeindrucken, das vor allem in Mitte angesiedelt ist, dort, wo die Grünen zur dominanten politischen Kraft geworden sind. Für sie ist jetzt ein Traum geplatzt, der Traum vom linken Reform-Bündnis, das im besten Falle sogar zu einem Standard-Koalitionsmodell für ganz Deutschland hätte werden können. Und nun gehen die Sozis mit dem Feind ins Bett. Das linke Bullerbü schmollt.

Lesen Sie auch:

Und strickt schon an Dolchstoßlegenden. Die Verhandlungen seien doch gut gelaufen, klagte die Berliner Ober-Grüne Bettina Jarasch. Es hätte doch einfach weitergehen können. Dahinter steht der nicht ausgesprochene Vorwurf: Franziska Giffey gehe den Weg in diese neue Richtung aus reinem persönlichem Machthunger. Das fuchst die Grünen. 

Und in der Tat: Giffey beweist Talent, ihre zentrale Position in der Berliner Politik zu sichern. Das scheint zunächst widersprüchlich, verzichtet sie doch darauf, Regierende Bürgermeisterin zu sein. Sie kann sich aber nun als die große Schmerzensfrau in Szene setzen, die um der Sache willen ihre eigenen Interessen zurückstellt. Dafür winkt ihr wahrscheinlich eine Art Super-Senatorenamt. Und der nächste Wahlkampf kommt bestimmt: Dann vielleicht wieder mit Giffey als SPD-Spitzenkandidatin.

Die CDU muss die absolute Mehrheit anstreben

Hier müsste auch CDU-Chef Kai Wegner nachdenklich werden. Einerseits muss er die neue Koalition zusammenhalten. Andererseits kann es nicht in seinem Interesse sein, dass sich die SPD in den nächsten Jahren gut regeneriert und ihn dann wieder aus dem Roten Rathaus vertreibt. Langfristig bleibt ihm als Perspektive nur die absolute Mehrheit als Ziel. Aber ist das realistisch? Oder er muss sich irgendwie an das linke Bullerbü herantasten? Dort wird man nämlich irgendwann nicht mehr schmollen, aber die Wut auf die SPD bleibt.   

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Sebastian Sasse CDU Franziska Giffey Kai Wegner SPD

Weitere Artikel

Sollte Rot-Grün-Rot nicht wieder aufgelegt werden, wäre das auch eine Schwächung der selbsternannten „progressiven“ Kräfte.
13.02.2023, 12 Uhr
Sebastian Sasse
"Die Linke" wird bei den Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus verlieren. Sie könnte aber doch in der Regierung bleiben, fürchtet Eckhard Jesse.
10.02.2023, 07 Uhr
Eckhard Jesse
In der heutigen Familienkatechese mit Lilly und Bob erfahren wir, wie es dem jungen Josef in Ägypten ergangen ist. Teil 2.
02.03.2023, 05 Uhr
Claudia Weiß

Kirche

Das ZdK glaubt, in der Absage des Heiligen Stuhls zu Laientaufe und Laienpredigt ein Interesse Roms an Zielsetzungen des Synodalen Weges zu erkennen.
31.03.2023, 15 Uhr
Meldung
In der 23. Folge des „Katechismus-Podcasts“ der „Tagespost“ spricht Margarete Strauss von der Einheit zwischen Altem und Neuen Testament.
31.03.2023, 14 Uhr
Meldung
Der Vatikan schreibt erneut an den DBK-Vorsitzenden Bätzing und erteilt zentralen Synodalforderungen eine Absage. Der Sprecher der Bischöfe betont, im Gespräch bleiben zu wollen.
30.03.2023, 16 Uhr
Meldung