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Bundesregierung legt Gesetzentwurf zur „Gehsteigbelästigung“ vor

Lebensrechtler kritisieren geplanten Gesetzentwurf als „unzulässigen Eingriff in Grundrechte“.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus.
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Hat einen Referentenentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vorgelegt: Bundesfamilienministerin Lisa Paus.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) hat einen Referentenentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vorgelegt. Ziel der Gesetzesänderung ist es, Gebetswachen und andere friedliche Demonstrationen vor Abtreibungspraxen und -kliniken sowie Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen künftig gesetzlich zu verbieten.

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Der Entwurf, der nun Ländern und Verbänden zur Beratung zugeleitet wurde, sieht vor, die Bundesländer zu verpflichten, „den ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen und zu den Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen“. Verstöße gegen das Versammlungsverbot sollen als Ordnungswidrigkeiten gelten und mit Geldbußen von bis zu 5.000 Euro geahndet werden können. Das Magazin „Der Spiegel“ zitierte die Bundesfamilienministerin mit den Worten: „Es kann nicht sein, dass eine Frau, die vor einer höchstpersönlichen Entscheidung steht, möglicherweise der schwersten ihres Lebens, bedrängt, eingeschüchtert oder mit emotionalisierenden Bildern konfrontiert wird.“

Kaminski: „Flächenendeckende Versorgung längst übererfüllt“

Lebensrechtler üben nun Kritik an dem Entwurf. So erklärte die Bundesvorsitzende der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA), Cornelia Kaminski, heute in Augsburg: „Der vorgelegte Gesetzentwurf der Ampelregierung zum Verbot von Gehsteigberatungen vor Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen, die nach Schwangerschaftskonfliktgesetz beraten, ist so unnötig und widersinnig, dass es schwerfällt, die größten Fehler zu benennen. Ausgangspunkt für das Bestreben, derartige Gehsteigberatungen zu verbieten, ist die Annahme, die Regierung müsse für eine flächendeckende Versorgung mit Abtreibungseinrichtungen sorgen. Diese Versorgung sei im Moment nicht gewährleistet, unter anderem, weil zunehmend Personen vor Abtreibungsreinrichtungen und Beratungsstellen den Zugang behinderten – Schwangere müssten gegebenenfalls das Bundesland wechseln, um abtreiben lassen zu können. Zurzeit gibt es in ganz Deutschland zweimal im Jahr an drei Orten solche Versammlungen in Form von Gebetswachen.“

Auch sei „unklar, was mit ,flächendeckend‘ genau gemeint ist. Einen Anhaltspunkt liefert zumindest ein vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenes Gutachten von 2019. Dies kommt zu dem Ergebnis, dass hierzulande eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung in der stationären Geburtshilfe überwiegend gewährleistet ist. Im Berichtszeitraum wurden 787.523 Kinder in Deutschland geboren, hierfür standen 682 Krankenhäuser mit geburtshilflichen Einrichtungen zur Verfügung. Nach Definition des Bundesgesundheitsministeriums ist also eine flächendeckende Versorgung gewährleistet, wenn in ganz Deutschland an knapp 700 Krankenhäusern ca. 790.000 Geburten durchgeführt werden. Eine Geburt ist nicht planbar und bindet oft über Stunden medizinisches Personal. Eine Abtreibung ist planbar und dauert in der Regel fünf bis zehn Minuten. Bei 104.000 Abtreibungen, die an 1.106 Einrichtungen durchgeführt werden, ist nach diesen Maßstäben die flächendeckende Versorgung längst übererfüllt. Damit entfällt die Grundlage für eine Gesetzänderung“, so Kaminski weiter.

Unzulässiger Eingriff in die Grundrechte

Nach Ansicht der Lebensrechtlerin verstößt die vorgesehene Gesetzänderung zudem „gegen die Menschenrechte auf Religions- und Versammlungsfreiheit sowie auf freie Meinungsäußerung“ und greife „auf unzulässige Weise in Grundrechte ein. Mehrere Gerichtsurteile, zuletzt auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, haben festgestellt: Es gibt kein Recht darauf, nicht mit Ansichten konfrontiert zu werden, die einem nicht gefallen. Es gibt kein Recht darauf, bestimmte Informationen nicht zu bekommen.“

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Dafür gehe es „sehr wohl ein Recht auf umfassende Aufklärung vor einem medizinischen Eingriff. Dazu gehört z.B. auch die Information über den Entwicklungsstand des Kindes, oder über posttraumatische Belastungsstörungen nach einer Abtreibung. Genau diese Informationen werden aber von denjenigen zur Verfügung gestellt, die vor den Abtreibungseinrichtungen stehen und versuchen, auf den letzten Metern noch Kinder zu retten.“ Kaminski: „Der vorgelegte Gesetzentwurf ist hoch ideologisch, er geht von falschen Tatsachenbehauptungen aus, er beugt das Recht, er verstößt gegen die Menschenrechte“. Die Regierung sei „gut beraten, ihn in ihrer bereits dicht gefüllten Schublade ideologischer Rohrkrepierer verschwinden zu lassen“, so Kaminski weiter.

Die Pressesprecherin der Christdemokraten für das Leben e. V. (CDL), Friederike Hoffmann-Klein, erklärte: „Es ist bislang kein einziger Fall bekannt, in dem eine Frau daran gehindert wurde, eine Beratungseinrichtung oder eine Abtreibungspraxis zu betreten.“ Steigende Abtreibungszahlen belegten „wohl eher das Gegenteil“. Der Entwurf sehe vor, die Äußerung ,unwahrer Tatsachenbehauptungen zu Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch‘ und das Zeigen ,verstörender‘ Bilder zu untersagen. Das ist aus Sicht der CDL bemerkenswert gerade vor dem Hintergrund, dass es doch die Befürworter von Abtreibungen sind, die sich hartnäckig weigern, unter anderem die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass bei einer Schwangerschaft von Anfang an ein Mensch existiert, und die stattdessen Begriffe wie ,Schwangerschaftsgewebe‘ und ,werdendes Leben‘ verwenden“, so Hoffmann-Klein.

CDL: Geplante Gesetzesvorhaben erinnert an das Vorgehen totalitärer Staaten

 „Die Kriminalisierung unliebsamer Meinungsäußerungen“, wie sie die geplante Gesetzesänderung beabsichtige, widerspreche „nicht nur den sich aus der Grundrechtsordnung des Grundgesetzes ergebenden Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. Mai 1993 konkretisiert hat, sondern erinnert auch an das Vorgehen totalitärer Staaten, zu deren Instrumentarium die Bedrohung nonkonformer Meinungsäußerung gehört“. Der Entwurf sei „ von terminologischer Verwirrung gekennzeichnet“. Hoffmann-Klein: „Aufklärung ist nicht ,Belästigung‘ und steht nicht auf einer Stufe mit der Ausübung von ,rechtswidrigem Druck und Zwang‘.

Der Gesetzesentwurf stellt sich ferner in einen eklatanten Gegensatz zu dem durch das Bundesverfassungsgericht formulierten Schutzauftrag des Staates, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben. Die in dem Gesetzesentwurf ausdrücklich niedergelegte Absicht, dem Sicherstellungsauftrag der Länder zu entsprechen und diesen im Sinne eines ,ungehinderten‘ Zugangs zu interpretieren, verkehrt den Schutzauftrag, den das Bundesverfassungsgericht erteilt hat, in sein Gegenteil. Das Aufzeigen einer Alternative zur bevorstehenden Abtreibung durch Hilfsangebote und eine wertschätzende Beratung ist keine ,Hinderung‘. Dies verbieten zu wollen, zeugt aus Sicht der CDL davon, dass dieser Schutzauftrag nicht mehr präsent ist im Denken und Handeln der Ampel-Regierung.“  DT/reh

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