Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Diskussion um Abtreibungsgesetzgebung

Bischöfe legen Stellungnahme zum § 218 StGB vor

Deutscher Episkopat hält Regelung im Strafgesetzbuch für notwendig – Grundannahmen der Kritiker werden widerlegt.
Diskussion um Abtreibungsgesetzgebung
Foto: Sascha Steinach via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Trotz des ernsten Themas ist es nicht frei von Komik, dass ausgerechnet die katholische Kirche einer von der Bundesregierung berufenen Kommission die geltende Rechtslage und die ihr zugrunde liegende Rechtsprechung ...

Rechtzeitig vor der am Donnerstag in Berlin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Anhörung der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ hat die Deutsche Bischofskonferenz am Dienstag die Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe zur Frage einer außerstrafrechtlichen Regelung der Abtreibung veröffentlicht.

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Dabei nimmt sich die lesenswerte, achtseitige Stellungnahme des Katholischen Büros, wie das Kommissariat der deutschen Bischöfe auch genannt wird, sich über weite Strecken wie eine komprimierte Relektüre der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, wie sie sich in dessen beiden sogenannten Abtreibungsurteilen vom 25. Februar 1975 und vom 28. Mai 1993 niedergelegt findet.

Zuvorkommend im Ton, messerscharf in der Argumentation

Trotz des ernsten Themas ist es nicht frei von Komik, dass ausgerechnet die katholische Kirche einer von der Bundesregierung berufenen Kommission die geltende Rechtslage und die ihr zugrunde liegende Rechtsprechung erläutern muss. Anders als die zu Recht viel kritisierte Stellungnahme des Rates der EKD hält die Stellungnahme des Katholischen Büros „an einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch fest“.

Zuvorkommend im Ton, aber messerscharf in der Argumentation machen die deutschen Bischöfe, die sich am Montag in der Sitzung des Ständigen Rats in Würzburg mit dem Thema beschäftigten, dabei deutlich, dass sie die Kritik an der geltenden Rechtslage für verfehlt halten. So träfe es eben nicht zu, dass die geltende Rechtslage „ungewollt Schwangere“, die eine Abtreibung erwägen und „Ärztinnen und Ärzte“, die diese durchführen, kriminalisiere beziehungsweise stigmatisiere. 

Schutz des ungeborenen Lebens gilt gar nicht absolut

Zwar verpflichte das Grundgesetz „den Staat, das ungeborene Leben zu schützen“ und „gebietet ihm, ,sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren‘“, doch gelte der Schutz des ungeborenen Lebens „nicht absolut“. Die Rechte der Schwangeren „auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde, ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und ihr Persönlichkeitsrecht“ könnten „als kollidierende Rechte dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes entgegenstehen“.

Die geltende gesetzliche Regelung sei „eine Kompromisslösung, die sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Frau als auch den Schutz des ungeborenen Lebens“ berücksichtige. Danach seien Schwangerschaftsabbrüche vor allem „gegen den Willen der Frau strafbar“.

„Deutlich zurückgenommen“ seien „hingegen die Strafvorschriften in Bezug auf die Schwangere“. Die Paragrafen 218, 218a, 219 StGB in Verbindung mit dem Schwangerschaftskonfliktgesetz seien „von der Überzeugung getragen, dass der Schutz des ungeborenen Lebens, insbesondere in der ersten Phase der Schwangerschaft, ,nur mit der Mutter‘ möglich“ sei. „Beratung und Information über bestehende Hilfsangebote“ sollten die Schwangere nach dem Prinzip „Hilfe statt Strafe“ „unterstützen, sich für ein Leben mit dem Kind“ und gegen eine Abtreibung zu entscheiden. Sie bleibe „straffrei“, „wenn nach Beratung und dreitägiger Wartefrist der Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt innerhalb von zwölf Wochen seit der Empfängnis“ erfolge.

Bereits „der beratene Schwangerschaftsabbruch“ fiele „nicht unter den Tatbestand des § 218 StGB“. Nach dieser sogenannten „Beratungslösung“ würden „in der Praxis ca. 96 Prozent der Abbrüche“ vorgenommen. Auch die §§ 218a Absatz 1, 219 StGB kriminalisierten „nicht den selbstbestimmten beratenen Schwangerschaftsabbruch“, sondern stellen „die Frau vielmehr ausdrücklich straflos“. Auch Ärzte, die „sich an die gesetzlichen Regelungen“ hielten, machten „sich nicht strafbar“. Lägen „die Voraussetzungen der kriminologischen oder medizinischen Indikation gemäß § 218a Absatz 2 bzw. Absatz 3 StGB vor“, gelte „der Abbruch“ sogar als „rechtmäßig“.

Abgestufte Schutzkonzepte werden der Wertentscheidung der Verfassung nicht gerecht

Ein „abgestuftes Schutzkonzept“, wie es in der Stellungnahme des Rats der EKD vertreten wird, eröffne nach Ansicht der deutschen Bischöfe die Gefahr, die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens auch in anderen Lebenssituationen abzustufen und damit aufzuweichen. Ferner verleihen die deutschen Bischöfe ihrer Sorge Ausdruck, dass damit der Anspruch auf gleichen Schutz von ungeborenem wie geborenem menschlichem Leben aufgegeben werde.

Beim vorgeburtlichen Leben handelt es sich von Anfang an um individuelles Leben, das nach christlicher Auffassung Anspruch auf den gleichen Schutz seines Lebens hat und dem die gleiche Würde zukommt. Auch das Bundesverfassungsgericht betone, dass spätestens mit der Nidation von einem menschlichen Leben auszugehen ist, das „in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit“ bereits festgelegt sei und dem daher der verfassungsrechtlich gebotene Schutz unabhängig von seinem Entwicklungsstadium zu gewähren sei. Es sei nicht ersichtlich, wie die nach Entwicklungsstufe und Lebensfähigkeit des Menschen abgestuften Lebensschutzkonzepte „diesem ethischen Anspruch und dieser Wertentscheidung unserer Verfassung gerecht“ würden.

Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen soll stärker in den Blick genommen werden

Außerdem betonen die Bischöfe in ihrer Stellungnahme, sie könnten nicht erkennen, dass sich durch die Streichung der §§ 218 ff. StGB die rechtliche und tatsächliche Situation von ungewollt schwangeren Frauen verbessere. Hierzu bedürfe es anderer Anstrengungen der Gesellschaft und des Sozialstaats, für die keine Änderung des Strafrechts erforderlich seien. Last but not least regen die Bischöfe an, bei der Diskussion um §§ 218 ff. StGB in den Blick zu nehmen, dass die geltende Regelung dem Lebensschutz bei einer vermuteten oder diagnostizierten Behinderung des ungeborenen Kindes nicht hinreichend Rechnung trage.  DT/reh

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