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Bis zur letzten Patrone

Neue Entwicklung, teuflische Überlegungen: Paradigmenwechsel bei der rechtlichen Regelung von Abtreibung bleibt auch noch nach der Bundestagswahl möglich.
SPD-Abgeordnete Carmen Wegge
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge ist eine der Initiatorinnen des „Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs".

Die Befürworter eines Paradigmenwechsels bei der gesetzlichen Regelung vorgeburtlicher Kindstötungen geben sich nicht geschlagen. „Wir werden als Gruppe alles dafür tun, das Gesetz bis zur Konstituierung des neuen Bundestages zu beschließen“, kündigte die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge gestern Abend gegenüber dem Nachrichtenportal „t-online“ an.

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Die SPD-Politikerin ist eine der Initiatorinnen des „Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs" (Bundestagsdrucksache 20/13775), mit dem sich der Rechtausschuss des Deutschen Bundestags am morgigen Montag (10. Februar), dem vorletzten regulären Sitzungstag der zu Ende gehenden Legislaturperiode befassen wird.

Verkürzung der Frist könnte abschließende Beratung ermöglichen

Wie bereits berichtet, beginnt die die Öffentliche Anhörung der Sachverständigen um 17.00 Uhr. Das Ende ist für 20.00 Uhr vorgesehen. Der Bundestag überträgt die Anhörung live auf dem Internetportal des Parlaments. Danach soll die Anhörung über die Bundestags-Mediathek abgerufen werden können.

Nach den üblichen Gepflogenheiten des Deutschen Bundestags verfiele der von 328 Abgeordneten in den Bundestag eingebrachten und bereits in Erster Lesung beratene Gesetzesentwurf anschließend jedoch der Diskontinuität. Der Grund: Zwischen der Anhörung im Rechtsausschuss und der Rücküberweisung in das Plenum muss laut der Geschäftsordnung des Bundestags mindestens ein Tag liegen. Da aber der letzte reguläre Sitzungstag der Dienstag (11. Februar) ist, kann das von Politikern der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken betriebene Gesetzesvorhaben diese Hürde nicht ohne Weiteres nehmen.

Allerdings kann die Frist in Ausnahmefällen verkürzt werden, nämlich dann, wenn eine Mehrheit im Rechtsausschuss dem zustimmt. In diesem Fall könnte die Zweite und Dritte Lesung des Gruppenantrags entgegen dem üblichen Verfahren doch noch am Dienstag zur abschließenden Beratung und anschließenden Abstimmung gelangen. Bislang sieht die Tagesordnung hier lediglich eine auf drei Stunden angesetzte Generaldebatte vor.

Teuflische Überlegungen zur notwendigen Mehrheitsbeschaffung

Weiterhin möglich bleibt aber auch die Einberufung einer Sondersitzung des Deutschen Bundestags. Laut Artikel 39 des Grundgesetzes muss eine solche Sondersitzung dann einberufen werden, wenn dies entweder ein Drittel der Abgeordneten oder aber der Bundespräsident, der Bundeskanzler oder die Bundestagspräsidentin verlangen.

Wie t-online schreibt, erwögen die Initiatoren des Gruppenantrags nun, eine solche Sondersitzung nach den Neuwahlen am 23. Februar zu beantragen. Dahinter steckt offenbar ein durchtriebenes und geradezu teuflisches Kalkül: Für eine Mehrheit benötigen Wegge & Co. 367 der 733 Stimmen. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke kommen zusammen aber maximal auf 352 Stimmen.

Selbst wenn alle Abgeordneten des Rot-grün-roten Lagers bei der Namentlichen Abstimmung, bei welcher der Fraktionszwang aufgehoben wird, dafür stimmten, vorgeburtliche Kindstötungen bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche nicht mehr nur „straffrei“ wie bisher, sondern erstmals auch „rechtmäßig“ zu stellen, fehlte ihm immer noch 15 Stimmen. Die müssten folglich von den anderen Fraktionen kommen. Als größte und aussichtsreichste Gruppe gilt den Initiatoren dabei die FDP mit 90 Abgeordneten. Denn das BSW würde mit nur zehn Abgeordneten als Mehrheitsbeschaffer nicht reichen.

Im Visier: FDP-Abgeordnete, die womöglich nicht wieder in den Bundestag einziehen

Und den FDP-Abgeordneten könnte, so offenbar die Überlegung, eine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf nach dem Wahltermin am 23. Februar leichter fallen als davor. Und in der Tat: Scheitert die Partei nämlich an der Fünf-Prozent-Hürde müsste kein FDP-Abgeordneter mehr Rücksicht auf die Linie der Fraktionsführung mehr nehmen, die eine Zustimmung zu dem Entwurf ablehnt. Nimmt sie die Fünf-Prozent-Hürde, würde das Gleiche für jene Abgeordneten gelten, die aufgrund des Wahlergebnisses nicht wieder in den Bundestag einziehen können.

Bei der Ersten Lesung des Gesetzesentwurf am 5. Dezember hatten immerhin zwei Rednerinnen der FDP erklärt, den Gesetzesentwurf inhaltlich mittragen zu können, aber ein Hauruck-Verfahren, ohne breite gesellschaftliche Debatte abzulehnen. Was damals, rund einen Monat nach dem Ampel-Aus für Beobachter eher wie eine Solidaritätsbekundung gegenüber der eigene Fraktionsführung klang als ein unüberwindbarer Dissens, könnte nach der Bundestagswahl eine neue Wendung nehmen.

Sondersitzung theoretisch bis zum 24. März möglich

Möglich ist eine Sondersitzung des Bundestages nach dem Wahltermin, weil der jetzige 20. Deutsche Bundestag so lange beschlussfähig bleibt, bis sich das neu gewählte Parlament konstituiert. Laut Artikel 39, Absatz 2 des Grundgesetzes muss der 21. Deutsche Bundestag „spätestens am dreißigsten Tag nach der Wahl“ erstmalig zusammentreten. Der letztmögliche Termin dafür ist der 25. März.

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