Hunter Biden wird im Rückblick auf die Biden-Präsidentschaft sicher als eine der tragischen Figuren gelten. Es gab wohl kaum einen Sohn eines US-Präsidenten, der mit seinem Verhalten für derart weitreichende politische Konsequenzen sorgte, dass auch dem Vater politischer Schaden drohte. Am Sonntagabend gab der noch amtierende US-Präsident Joe Biden bekannt, er werde seinen Sohn begnadigen und setzte so vorerst einen Schlussstrich unter die Angelegenheit. Den Republikanern freilich gibt der Schritt Anlass zu neuer Kritik.
Worum ging es in der Causa Hunter Biden? Dessen nachweisliches Fehlverhalten, für das er in wenigen Wochen hätte verurteilt werden sollen, war nie der Hauptgrund, weshalb der Präsidentensohn zum Politikum wurde. Indirekt löste Biden junior das erste Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren und künftigen Präsidenten Donald Trump aus. Denn Trump nahestehende Republikaner hielten Hunter Biden vor, vor einigen Jahren als Vorstand des ukrainischen Gasunternehmens Burisma geschäftlich davon profitiert zu haben, dass Joe Biden als ehemaliger US-Vizepräsident für das Management des eskalierenden Konflikts zwischen Russland und der Ukraine zuständig war. Manche gingen sogar so weit, der gesamten Familie Biden eine rechtswidrige Bereicherung in der Ukraine zu unterstellen.
Hunter Biden drohten bis zu 25 Jahre Haft
Jene Vorwürfe gipfelten in dem legendären Telefonat zwischen Trump und Wolodymyr Selenskyj im Jahr 2019, in dem Trump den ukrainischen Präsidenten aufforderte, gegen den damaligen Vize Biden zu ermitteln. Die Demokraten warfen Trump daraufhin vor, mithilfe einer ausländischen Regierung versucht zu haben, den US-Wahlkampf zu beeinflussen – und leiteten ein Amtsenthebungsverfahren ein. Dieses scheiterte jedoch im Senat.
Doch darum ging es in den zwei Verfahren, in denen der von Justizminister Merrick Garland ernannte Sonderermittler David Weiss Anklage erhob, nicht. Diese betrafen im Grunde eher Banalitäten: Zum einen hatte Biden junior, der jahrzehntelang mit massiven Alkohol- und Drogenproblemen kämpfte, 2018 eine Schusswaffe erworben, was ihm als Drogenkonsument verboten war. Seine Drogensucht hatte er dabei verschwiegen. Zudem legte ihm die Justiz Steuerdelikte in zwei Fällen zur Last. Ein Deal mit der Staatsanwaltschaft scheiterte im Juli 2023. Hunter Biden drohten bis zu 25 Jahre Haft.
Sein Sohn stellte für den noch amtierenden Präsidenten jahrelang eine massive Belastung dar: Diese war aufgrund der Alkohol- und Drogensucht Hunter Bidens für Joe Biden als Vater einerseits privater Natur. Andererseits hätte die Causa wohl auch den Wahlkampf beeinflusst, wäre Biden nicht von seiner Kandidatur zurückgetreten. Denn die Republikaner warfen der Familie Biden – stets ohne stichhaltige Beweise – nicht nur dubiose Machenschaften in der Ukraine vor, sondern führten den Umgang mit Hunter Biden auch als Beleg für ihre Behauptung an, hier entscheide eine politisierte Justiz zugunsten der Demokraten.
Biden bricht sein Wort
Nachdem der Deal mit der Staatsanwaltschaft gescheitert war, sah alles danach aus, als würde Biden seinen Sohn dem Urteil der Justiz überlassen. Zumindest beteuerte er dies bis zuletzt. Hätte er Wort gehalten, hätten die Demokraten die Affäre um Hunter Biden sogar als Beleg verwenden können, um zu zeigen, dass für sie niemand über dem Gesetz steht – auch nicht der Sohn des Präsidenten.
Mit Bidens Begnadigung ändert sich natürlich alles. Der künftige US-Präsident Trump sprach in seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“ sogleich von einem „Irrtum“ und warf Biden „Missbrauch der Justiz“ vor. Andere Republikaner stießen in ein ähnliches Horn: „Joe Biden hat von Anfang bis Ende über die korrupten Aktivitäten der Einflussnahme seiner Familie gelogen“, so der Kongressabgeordnete James Comer.
Biden dagegen verteidigte die Entscheidung, seinen Sohn zu begnadigen: „Die Anklage in seinen Fällen kam erst zustande, nachdem mehrere meiner politischen Gegner im Kongress die Ankläger dazu angestiftet hatten, mich anzugreifen und sich meiner Wahl zu widersetzen“, erklärte er in Anspielung auf Trumps Behauptung, Biden habe die Wahl 2020 nur durch Betrug gewonnen. Keine vernünftige Person, die die Fakten in Hunter Bidens Fällen betrachte, könne „zu einem anderen Schluss kommen, als dass Hunter nur deshalb herausgegriffen wurde, weil er mein Sohn ist“, so Biden.
Der Präsident steht über dem Gesetz
Menschlich mag man die Entscheidung Bidens nachvollziehen können, zumal er bereits zwei seiner Kinder durch einen Autounfall beziehungsweise einen Hirntumor verloren hat. Politisch wird sie die Demokraten weiter beschädigen. Denn jetzt werden sie Trump kaum noch glaubwürdig dafür kritisieren können, wenn er bald reihenweise Begnadigungen für die Aufständischen des 6. Januars 2021 aussprechen wird – auch wenn die Sachlage in den beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Biden hätte seiner Partei einen Gefallen getan, wenn er die zweifellos schwere Entscheidung getroffen hätte, nicht in den juristischen Prozess einzugreifen. So aber leistet er einer Behauptung Vorschub, die die Demokraten sonst immer auf Trump beziehen: Der Präsident stehe über dem Gesetz.
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