Wer die gesellschaftspolitische Relevanz von Christen mit der Anzahl derjenigen Menschen verwechselt, die sich noch einer der beiden großen christlichen Konfessionen zurechnen, den dürfte der Ausstieg des Rats der EKD aus der seit 1994 gemeinsam mit der Deutsche Bischofskonferenz (DBK) veranstalten "Woche für das Leben" getroffen und womöglich sogar beunruhigt haben. In Wirklichkeit ist der EKD-Ausstieg jedoch kein Verlust, sondern ein Gewinn.
Völlig weichgespülte Kirchenfunktionäre
Unter den völlig weichgespülten Kirchenfunktionären der EKD und ihrer geradezu panischen Angst, mit klar konturierten Angeboten auch ihre letzten verbliebenen Mitglieder zu verprellen, leiden seit Jahren nicht bloß Katholiken, sondern auch viele Protestanten. Von DBK und ZdK 1991 ins Leben gerufen, sollte die "Woche für das Leben" ursprünglich der kirchlichen Position in der Abtreibungsfrage Geltung verschaffen. Davon kann längst keine Rede mehr sein. Im Gegenteil.
Da feiern von der EKD subventionierte Medien die Gießener Abtreibungsärztin Kristina Hänel als "Retterin". Da werden überkonfessionell aufgestellte Lebensrechtsorganisationen von der Teilnahme am Evangelischen Kirchentag ausgeschlossen, weil die originalgetreue Nachbildung eines Zehn-Wochen-alten-Embryos für unzumutbar erachtet wird, während Sado-Maso-Fetischisten der rote Teppich ausgerollt wird.
Wer den Niedergang der "Woche für das Leben" und ihre häusliche Einrichtung in drittklassigen Nischenthemen verfolgt hat, während Ärzte-, Wissenschaftsfunktionäre und die Pharmaindustrie in Berlin so unverfroren wie rücksichtslos ihre biopolitischen Agenden durchzogen, der weiß, dass die Katholische Kirche die ökumenische Flagge bis an den Rand der Selbstverleugnung hochgehalten hat. Nun ist die Selbstfesselung vorbei. Eine Garantie dafür, dass künftig alles anders wird, ist der EKD-Ausstieg aus der "Woche für das Leben" selbstverständlich nicht. Aber eine "conditio sine qua non", eine notwendige Voraussetzung dafür, dass es besser werden kann, ist er nach Lage der Dinge schon. Und dafür darf man durchaus dankbar sein.
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