Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Auch Kamala Harris ist eine schwache Kandidatin

Die Vizepräsidentin gilt als die aussichtsreichste Bewerberin der Demokraten, um Donald Trump zu schlagen. Für ihre Partei ein Wagnis, für Konservative ein Ärgernis.
Derzeit noch US-Vizepräsidentin, bald schon die nächste Präsidentin? Kamala Harris
Foto: IMAGO/Dylan Smith/U.S. Air (www.imago-images.de) | Harris dürfte kaum eine stärkere Kandidatin darstellen als Joe Biden. Unter konservativen Gesichtspunkten bietet die ehemalige kalifornische Senatorin viel Angriffsfläche, Trump-Anhängern gilt sie als regelrechte ...

Blass, glücklos, unsichtbar: Die Attribute, mit denen die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris in den vergangenen Jahren beschrieben wurde, fallen weitgehend negativ aus. Und in der Tat: Bislang hat die 59-jährige Demokratin mit afro-karibischen und tamilischen Wurzeln es nicht wirklich geschafft, sich an der Seite von Joe Biden zu profilieren. In dieser Hinsicht teilt sie das Schicksal zahlreicher Vizepräsidenten der US-Geschichte, die das Dilemma aushalten mussten, zwar stets „nur einen Herzschlag“ vom Präsidentenamt entfernt zu sein, jedoch an der Seite eines dominanten Amtsinhabers kaum Macht oder Einfluss zu genießen.

Lesen Sie auch:

Für Kamala Harris könnte sich dies schon bald ändern: Nachdem Joe Biden am Sonntag seine Präsidentschaftskandidatur zurückzog, gilt sie als die aussichtsreichste Bewerberin der Demokraten, um Donald Trump im November zu schlagen. Biden selbst unterstützt ihre Kandidatur, wie auch zahlreiche einflussreiche aktive und ehemalige demokratische Politiker – wenn auch noch nicht alle. Ob Harris auf dem am 19. August beginnenden Parteitag der Demokraten tatsächlich zur Kandidatin gekürt wird, hängt aber auch davon ab, ob noch andere Interessenten ihren Hut in den Ring werfen.

Katholiken werden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen

Harris dürfte kaum eine stärkere Kandidatin darstellen als Joe Biden. Unter konservativen Gesichtspunkten bietet die ehemalige kalifornische Senatorin viel Angriffsfläche, Trump-Anhängern gilt sie als regelrechte Hassfigur. Denn in noch viel stärkerem Maße als Biden steht Harris für eine radikale progressive Agenda. Während Biden zunächst nur zögerlich für „reproduktive Freiheit“, soll heißen ein „Recht“ auf Abtreibung, eintrat, und auch mit der „Terminologie“ der Abtreibungslobby fremdelte, kämpft Harris mit Leib und Seele dafür. Hier gelang es ihr noch am ehesten, sich in den vergangenen Jahren zu profilieren. So tourte sie beispielsweise nach dem neuen Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs, mit dem „Roe v. Wade“ gekippt wurde, mit einer sogenannten „Fight for Reproductive Freedoms“-Tour durch das Land, um für die Abtreibungsagenda der Demokraten zu werben. Und auch auf anderen Feldern der Gesellschaftspolitik, wie etwa der gleichgeschlechtlichen Ehe, Geschlechtsumwandlungen bei Jugendlichen oder grundsätzlich der LGBT-Politik liegt sie ganz auf der progressiven Linie ihrer Partei.

Dass viele Katholiken, anstatt einer möglichen Präsidentschaftskandidatin Harris Beifall zu klatschen, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen dürften, überrascht insofern nicht. Zumal es zahlreiche Belege dafür gibt, dass die studierte Juristin in der Vergangenheit gelinde gesagt wenig Fingerspitzengefühl an den Tag legte, wenn ihre politischen Ziele mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit von Katholiken kollidierten. Ein Beispiel: 2018 hielt sie einem Kandidaten für einen Posten als Bezirksrichter bei der Anhörung im Senat vor, Mitglied der Kolumbusritter zu sein, da die katholische Laienorganisation sich gegen das Recht von Frauen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden, positioniert.

Darüber hinaus haftet Harris der Makel an, auf dem großen Konfliktfeld der Migrationspolitik gescheitert zu sein. Gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft hatte Biden sie quasi zur Sonderbeauftragten für das – zugegebenermaßen – undankbare Thema ernannt. Zählbare Ergebnisse blieb sie bis zuletzt schuldig. Einzig außenpolitisch bringt Harris zumindest aus europäischer Sicht einen Hoffnungsschimmer mit sich, da sie Bidens Unterstützungskurs der Ukraine fortsetzen würde – auch wenn man sich auf der anderen Seite des Atlantiks keinen Illusionen hingeben darf: Die Mahnungen an die Länder Europas, trotz amerikanischen Beistands mehr für die eigene Verteidigungsfähigkeit aufzuwenden, würden sicher auch unter Harris zunehmen.  

Dass sie über das Kernmilieu hinaus mobilisieren kann, muss Harris noch beweisen

Leider treten mit der Debatte um Harris‘ mögliche Kandidatur auch altbekannte, dennoch sehr unangenehme Phänomene auf: So werden in Kanälen am äußeren rechten Rand schon Stimmen laut, die Harris aufgrund ihrer Herkunft die Eignung für das Präsidentenamt absprechen. Dabei ist sie selbst in Kalifornien geboren, ihr Vater wanderte aus Jamaika, ihre Mutter aus Indien in die USA ein. Es gibt genügend Anhaltspunkte, Harris auf der Sach-Ebene zu kritisieren. Rassistische oder geschlechtsbedingte Angriffe haben keinen Platz im politischen Diskurs.

Unterm Strich muss man dennoch festhalten, dass die Demokraten auch mit Kamala Harris ein Wagnis eingehen würden. Dass sie auch über das Kernmilieu hinaus Wähler mobilisieren kann, müsste sie erst noch beweisen. Sollte es im November tatsächlich auf das Duell „Trump gegen Harris“ zulaufen, dürften viele amerikanische Wähler ein weiteres Mal auf die abgenutzte, aber dennoch treffende Formulierung zurückgreifen, vor einer Entscheidung zwischen Pest oder Cholera zu stehen. 

Lesen Sie weitere Hintergründe zu den turbulenten Entwicklungen im US-Wahlkampf in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

Themen & Autoren
Maximilian Lutz Donald Trump Einwanderungspolitik Joe Biden Kamala Harris Katholikinnen und Katholiken Konservative

Weitere Artikel

Was eher für Harris spricht, was für Trump – und vor welchen Gewissenskonflikten amerikanische Katholiken stehen, das erläuterte Maximilian Lutz im „Tagespost Online Forum“.
30.10.2024, 16 Uhr
Meldung
Der langjährige US-Diplomat Todd Huizinga meint: Donald Trump hat die Chance, die Dominanz der Republikaner langfristig zu festigen, wenn er in seinem Auftreten diplomatischer wird.
14.11.2024, 07 Uhr
Maximilian Lutz

Kirche

Herausgefordert von Biotechnik und Künstlicher Intelligenz: Die Unantastbarkeit der Menschenwürde war Thema eines Symposiums der beiden Ratzinger-Schülerkreise in Rom.
02.10.2025, 11 Uhr
Maximilian Welticke
Näher zur eucharistischen Anbetung: Adoratio machte es möglich, mit Vorträgen, Gebetszeiten und Begegnung. Auch Bischof Oster und Sophia Kuby kamen.
02.10.2025, 05 Uhr
Elisabeth Hüffer