Die Corona-Pandemie hat Europas Ökonomie hart getroffen, viel härter als die Experten noch im Mai vorhersagten. Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission für Wirtschaft, gesteht: „Die wirtschaftlichen Folgen der Ausgangsbeschränkungen sind schwerwiegender als ursprünglich erwartet.“ In der Europäischen Union zeichnet sich ein neuer Graben ab: zwischen Nord und Süd.
Kaum Tourismus: Europas Süden leidet ökonomisch
Zweistellig ist die Rezession bei den Mittelmeeranrainern Italien, Spanien, Frankreich und Kroatien, knapp gefolgt von Griechenland und Portugal. Deutlich besser kommen Dänemark, die Niederlande, Schweden, Finnland, Deutschland, Österreich, ja sogar Polen, Rumänien, Tschechien und Slowenien wirtschaftlich durch die Corona-Krise. Europas Süden leidet ökonomisch, vor allem weil seine Wirtschaft stärker vom Tourismus lebt, der heuer weitgehend nicht stattfindet.
Wer nun atemlos auf das Motto setzt „Rette sich, wer kann“, verkennt die grundsätzliche Vitalität der Wirtschaft in Europa ebenso wie ihre kontinentale Verflechtung. Exportorientierte Länder wie Deutschland und Schweden werden nicht genesen, wenn ihnen die Absatzmärkte vor der Haustüre kollabieren.
Dazu kommt: Schon 2021 wird Europas Wirtschaft wieder wachsen – gedämpft, aber doch. Dann werden sich die Menschen im Süden Europas daran erinnern, ob der Norden sich am Tiefstpunkt der Corona-Krise solidarisch oder egoistisch zeigte. Das wird für ihre eigene Positionierung entscheidend sein, wenn die ökonomische Nord-Süd-Spaltung der EU wieder durch die dauerhaftere (und teurere) West-Ost-Spaltung abgelöst wird. Auch wenn viele heute daran nicht denken: Der wirtschaftliche Kahlschlag, den der Kommunismus in Mittel- und Osteuropa hinterließ, wird uns länger beschäftigen als die ökonomische Verwüstung Südeuropas durch die Corona-Krise.
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