Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Verfassungsänderung in Frankreich

Abtreibung in Verfassung: Französischer Senat gibt grünes Licht

Mehrere Kirchenvertreter warnen vor einer Einschränkung der Meinungs- und Gewissensfreiheit und schwindendem sozialen Zusammenhalt.
Frankreich nimmt "Recht" auf Abtreibung in Verfassung auf
Foto: IMAGO/Ait Adjedjou Karim/ABACA (www.imago-images.de) | Pro-Abtreibungsdemo in Paris: Am Montag, den 4. März, werden Nationalversammlung Parlament in einem letzten Schritt gemeinsam über die Verfassungsänderung abstimmen.

Nun hat auch der Senat zugestimmt: Als erster Staat Europas wird Frankreich ab nächster Woche dem „Recht“ auf Abtreibung Verfassungsrang einräumen. Die genaue Formulierung, die in Artikel 34 der Verfassung eingefügt werden soll, lautet: „Das Gesetz legt die Bedingungen fest, unter denen die der Frau garantierte Freiheit, einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, ausgeübt wird.“

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Am Montag, den 4. März, werden Nationalversammlung Parlament in einem letzten Schritt gemeinsam über die Verfassungsänderung abstimmen. Die erforderliche Mehrheit von 60 Prozent zu erreichen, dürfte reine Formsache sein. Am 8. März, dem Weltfrauentag, wird Präsident Emmanuel Macron laut Plan die Verfassungsänderung feierlich verkünden. 

Zwei Änderungsanträge abgelehnt

Zwei von konservativ-bürgerlichen Senatoren getragene Änderungsanträge wurden abgelehnt. Mehrere „Républicains“-Senatoren setzen sich dafür ein, das Adjektiv „garantiert“ zu streichen. Die Befürchtung: Der Zugang zu Abtreibungen könnte durch die Verfassungsänderung zu einem einklagbaren Recht werden, das sich im Zweifel auch gegenüber einzelnen Kliniken durchsetzen lässt. Ein zweiter Änderungsantrag zielte darauf, medizinischem Fachpersonal das Recht zu garantieren, nicht zur Durchführung von Abtreibungen verpflichtet werden zu können. 

Die französischen Bischöfe nahmen das Abstimmungsergebnis im Senat „mit Trauer“ zur Kenntnis. In einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme der Bischofskonferenz heißt es, Abtreibung sei „ein Angriff auf das Leben an seinem Beginn“ und könne nicht nur unter dem Blickwinkel der Frauenrechte betrachtet werden. Außerdem bedauern die Bischöfe, dass in der gesamten Debatte die Frage unsichtbar blieb, welche Hilfsmaßnahmen für diejenigen zur Verfügung gestellt werden könnten, die ihr Kind behalten möchten.

„Angesichts der zahlreichen Gewalttaten, die Frauen und Kindern angetan werden, wäre es eine Ehre für die Verfassung unseres Landes, wenn sie den Schutz von Frauen und Kindern in ihrem Herzen verankern würde“, meinen die französischen Oberhirten. Außerdem werde die Bischofskonferenz darauf achten, dass „die Wahlfreiheit der Eltern, die sich auch in schwierigen Situationen dafür entscheiden, ihr Kind zu behalten, sowie die Gewissensfreiheit der Ärzte und des gesamten Pflegepersonals“ respektiert werde.

Aupetit: Frankreich ist zu "totalitärem Staat" geworden

Zuvor hatten sich schon mehrere Bischöfe einzeln zu Wort gemeldet. „Wo ist das ,Wir müssen Leben retten‘ geblieben, das wären der Covid-Krise der ständige Refrain war?“, fragte der Koadjutorbischof von Fréjus-Toulon, François Touvet auf X (ehemals Twitter). Den Abgeordneten warf er vor, ihr Fähnchen im Wind zu drehen und ohne Weitsicht und Überzeugung zu agieren. Auf derselben Plattform kommentierte der ehemalige Pariser Erzbischof Michel Aupetit, der selbst jahrelang als Arzt praktizierte: „Das Gesetz setzt sich gegen das Gewissen durch und zwingt zur Tötung. Frankreich hat den Tiefpunkt erreicht. Es ist zu einem totalitären Staat geworden.“

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In einer längeren Stellungnahme äußerte sich auch der Erzbischof von Lyon, Olivier de Germay. Seit der Entkriminalisierung der Abtreibung 1975 sei scheinbar alles getan worden, um den Schwangerschaftsabbruch zu erleichtern und zu banalisieren. Frankreich habe den „traurigen Rekord von 234.300 Abtreibungen aufgestellt“, während die Tendenz in ganz Europa rückläufig sei. „Wenn das Gesetz verabschiedet würde, würde Frankreich die gleiche Würde jedes menschlichen Lebens – ein Grundsatz mit Verfassungsrang - mit dem freien Zugang zur Abtreibung auf eine Stufe stellen. Wie lässt sich ein solcher Widerspruch erklären?“, fragte der Primas von Gallien in der Stellungnahme, die auf dem Internetauftritt des Erzbistums Lyon veröffentlicht wurde.

Sozialer Zusammenhalt wird schwinden

Germay monierte, dass sich die gesellschaftspolitischen Gesetze der letzten Jahrzehnte auf individuelle Rechte konzentrieren und deren soziale Tragweite vernachlässigen. Dadurch werde der soziale Zusammenhalt jedoch „zwangsläufig schwinden. „Wie können wir eine Option, die den Respekt vor dem Schwächsten betrifft, in die Privatsphäre verbannen?“, so der Erzbischof. „Sollte sich nicht auch die gesamte Gesellschaft um Frauen sorgen, die unter schwierigen Bedingungen schwanger werden, die Unterstützung bei der Mutterschaft benötigen oder die sich nach einem Schwangerschaftsabbruch in einer schmerzhaften Einsamkeit wiederfinden?“

Des Weiteren sorge er sich um die Meinungs- und Gewissensfreiheit in Frankreich, so der Erzbischof von Lyon. Bereits heute sei es schwierig, sich zur Abtreibung zu äußern, „ohne zur Zielscheibe der Medien zu werden“, weshalb sich viele Personen des öffentlichen Lebens bereits aus der Debatte zurückgezogen hätten. „Was wird aus der Debatte, wenn das Gesetz verabschiedet wird? Wird das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet sein? Was ist mit der Gewissensfreiheit?“, fragte Germay.  DT/fha

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