Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Mit Spannung erwartetes Referendum

Ohio stimmt über Verfassungsrecht auf Abtreibung ab

Am 7. November findet in dem US-Bundesstaat ein mit Spannung erwartetes Referendum statt. Umfragen sehen die Befürworter eines „Rechts“ auf Abtreibung deutlich in der Mehrheit.
Demonstration von Abtreibungsbefürwortern in Ohio
Foto: IMAGO/Jason Whitman (www.imago-images.de) | Nachdem Abtreibungsbefürworter zuletzt bereits in sechs weiteren US-Bundesstaaten mit Referenden Erfolg hatten, nehmen sie nun auch den traditionell konservativ geprägten Staat Ohio.

Auch wenn in diesem November in den USA weder Präsidentschafts- noch Kongresswahlen stattfinden, steht in der kommenden Woche eine für viele wegweisende Abstimmung an. Am 7. November können die Bürger des Bundesstaates Ohio in einem Referendum entscheiden, ob ein „Recht“ auf Abtreibung in die Verfassung des Bundesstaates aufgenommen werden soll.

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Aktuelle Umfragen sehen die Befürworter einer derartigen Verfassungsänderung deutlich in der Mehrheit: Eine von der Baldwin Wallace University Ohio in Auftrag gegebene Erhebung unter mehr als 1.000 eingetragenen Wählern kam zu dem Ergebnis, dass 58 Prozent der Bürger befürworten, ein „Recht“ auf Abtreibung in die Verfassung Ohios aufzunehmen; 34 Prozent sprachen sich dagegen aus. Eine weitere Umfrage im Auftrag der Ohio Northern University von Mitte Oktober sieht den Anteil der Befürworter bei 52 Prozent, den der Gegner bei 36 Prozent.

Soll die Verfassung um ein "Recht" auf Abtreibung ergänzt werden?

Bei dem Referendum am kommenden Dienstag, auch bekannt unter dem Namen „Issue 1“, werden die Bürger Ohios darüber abstimmen, ob die Verfassung des Staates um einen Zusatz ergänzt werden soll. Dieser besagt wörtlich, dass „jedes Individuum ein Recht hat, seine eigenen reproduktiven Entscheidungen zu treffen und auszuführen“, einschließlich – aber nicht beschränkt auf – Entscheidungen zu Verhütung, Fruchtbarkeitsbehandlungen, dem „Fortsetzen der eigenen Schwangerschaft“, Betreuung im Fall einer Fehlgeburt sowie Abtreibung. Der Staat, so besagt es der Zusatztext, dürfe niemanden daran hindern, dieses Recht zu beanspruchen.

Derzeit sind Abtreibungen in Ohio erlaubt, solange ein ungeborenes Kind nicht außerhalb des Mutterleibs überleben kann, also in etwa bis zur 22. oder 24. Schwangerschaftswoche. Insgesamt gibt es in dem Bundesstaat im Mittleren Westen aktuell neun Kliniken, die Abtreibungen anbieten. Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA im Juni 2022 das umstrittene, seit 1973 gültige Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ gekippt hatte, war zunächst ein striktes Abtreibungsverbot ab der sechsten Schwangerschaftswoche in Kraft getreten. Unterzeichnet hatte der republikanische Gouverneur des Bundesstaates, Mike DeWine, das entsprechende Gesetz bereits 2019. Es konnte jedoch erst in Kraft treten, nachdem der Oberste Gerichtshof mit seinem Urteil im Fall „Dobbs“ das Recht, über Abtreibungsgesetze zu entscheiden, wieder den einzelnen Bundesstaaten überlassen hatte. Im September hob ein Gericht das strikte Verbot wieder auf.

Lebensrechtler üben deutliche Kritik

Nachdem Abtreibungsbefürworter zuletzt bereits in sechs weiteren US-Bundesstaaten mit Referenden Erfolg hatten, versuchen sie nun auch in dem traditionell konservativ geprägten Staat Ohio, die derzeit geltende Rechtslage in der Verfassung zu verankern. Lebensrechtler üben jedoch deutliche Kritik: Der Verfassungszusatz erlaube de facto Abtreibungen „auf Abruf“ bis zur Geburt, senke grundlegende Sicherheitsstandards und beschneide die Rechte von Eltern, in medizinische Entscheidungen ihrer Kinder eingebunden zu werden.

Tatsächlich heißt es in dem Zusatz, dass Abtreibungen verboten werden können, wenn ein ungeborenes Kind außerhalb des Mutterleibs lebensfähig ist. Gleichzeitig schränkt der Text ein: „Solch eine Abtreibung darf jedoch in keinem Fall verboten werden, wenn diese nach dem professionellen Urteil des behandelnden Mediziners der schwangeren Patientin nötig sein sollte, um das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren zu schützen.“

Insbesondere an dem Vorwurf der Gegner der Verfassungsänderung, mit dem Zusatz würden elterliche Rechte eingeschränkt, hat sich im Vorfeld des Referendums eine intensiv geführte Debatte entzündet. Denn Elternrechte werden in dem Text, der zur Abstimmung steht, gar nicht erwähnt. Zudem beklagen die Abtreibungsbefürworter, dass der republikanische Innenminister des Staates Ohio, der für den auf den Stimmzetteln abgedruckten Wortlaut der Abstimmung verantwortlich ist, den eigentlichen Text des Verfassungszusatzes verzerrt wiedergebe. Auf dem Stimmzettel heißt es nämlich unter anderem: „Der vorgeschlagene Verfassungszusatz würde es immer erlauben, ein ungeborenes Kind zu jedem Zeitpunkt einer Schwangerschaft und unabhängig von seiner Lebensfähigkeit abzutreiben, falls nach Ansicht des behandelnden Arztes die Abtreibung notwendig ist, um das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren zu schützen.“

"Stellvertreter-Referendum" im August

Eine erste Vorentscheidung zu dem nun anstehenden Referendum hatte es bereits im August gegeben. Damals stimmten die Wähler in einem Referendum mit 57 zu 43 Prozent dagegen, dass in Referenden über Verfassungsänderungen künftig keine absoluten Mehrheiten, sondern solche von mindestens 60 Prozent benötigt werden. Viele Befürworter und Gegner einer solchen Erhöhung der Zustimmungsquote sprachen von einem „Stellvertreter-Referendum“ für die Abstimmung im November. Denn eine Mehrheit von 60 Prozent zugunsten eines „Rechts“ auf Abtreibung in der Verfassung ist wohl nicht zu erwarten.

Dass nächste Woche mit einem Erfolg für Abtreibungsbefürworter zu rechnen ist, zeigt indes auch ein Blick auf die Finanzierung der Kampagnen beider Lager. So sammelten die Befürworter, „Ohioans für Reproductive Rights“, insgesamt knapp 29 Millionen US-Dollar an Spenden – die Kampagne der Pro-Life-Seite, „Protect Women Ohio“, dagegen nur knapp zehn Millionen. Ein Großteil der Spendengelder beider Seiten kam dabei von Organisationen und Einzelpersonen außerhalb Ohios. 

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