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Die Abtreibungsfrage mobilisiert

Nach einem Referendum im US-Bundesstaat Ohio müssen sich die Republikaner fragen, ob ihnen die strikte Verbotshaltung an der Wahlurne tatsächlich hilft.
Abtreibungsbefürworter in Ohio
Foto: IMAGO/Cavan Images (www.imago-images.de) | Abtreibungsbefürworter demonstrieren in Columbus, der Hauptstadt von Ohio.

Hätte es eines weiteren Beleges bedurft, wie stark die Abtreibungsfrage in den USA weiterhin mobilisiert, ein Blick nach Ohio hätte in dieser Woche genügt. In dem Bundesstaat stimmten die Wähler in einem Referendum mit 57 zu 43 Prozent dagegen, dass in Volksabstimmungen über Verfassungsänderungen künftig keine absoluten Mehrheiten, sondern solche von mindestens 60 Prozent benötigt werden. 2,8 Millionen Wahlberechtigter gaben ihre Stimme ab. Zum Vergleich: Bei den Gouverneurs- und Senatswahlen 2022 waren es nicht einmal 1,7 Millionen. 

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Was hat das mit Abtreibung zu tun? Nun, sehr viel. Denn im November sind die Bürger Ohios zu den Urnen gerufen, um darüber abzustimmen, ob die Verfassung des Bundesstaates ein „Recht“ auf Abtreibung bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus beinhalten solle. Erst im vergangenen Jahr, in dem der Oberste Gerichtshof der USA das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ kippte, verschärfte das republikanisch kontrollierte Parlament des Staates die Gesetzgebung: Nun sind Abtreibungen ab der sechsten Woche einer Schwangerschaft verboten.

Spielball der Abtreibungslobby

Viele Befürworter und Gegner einer solchen Erhöhung der Zustimmungsquote sprachen von einem „Stellvertreter-Referendum“ für die Abstimmung im November. Und tatsächlich geben die nun ermittelten Mehrheitsverhältnisse ein erstes Stimmungsbild ab, das Abtreibungsbefürworter beflügeln wird. Blickt man auf die Personen und Interessengruppen, die die Kampagnen der beiden Seiten finanziell unterstützt hatten, wird zudem deutlich: Beträchtliche Teile der Geldbeträge kamen von außerhalb des Staates Ohio. Und es profitierten insbesondere die von den Demokraten unterstützten Gegner einer 60-Prozent-Mehrheit für Verfassungsänderungen.

Das zeigt: Ohio war auch ein Spielball der finanzstarken, den Demokraten nahestehenden Abtreibungslobby, die seit dem neuen Grundsatzurteil in der Abtreibungsfrage keine Chance ungenutzt lässt, auch in Staaten mit republikanischen Mehrheiten einen Zugang zu Abtreibung aufrechtzuerhalten. Für die Republikaner lassen sich aus Ohio zwei Erkenntnisse mitnehmen: Die Abtreibungsfrage wird auch bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr ein wesentliches, über den Wahlausgang mitentscheidendes Thema sein. Und die Abtreibungslobby ist finanziell offenbar gut gerüstet, um ihrer Position Geltung zu verschaffen.

Allzu strikte Gesetze stoßen nicht auf Mehrheiten

Zudem müssen aber auch die entschiedensten Abtreibungsgegner der Republikaner einsehen – mögen ihre Überzeugungen auch noch so aufrichtig sein –, dass ganz strikte Abtreibungsgesetze, die so gut wie gar keinen Spielraum für Ausnahmen lassen, beim Wahlvolk nicht auf Mehrheiten stoßen. Schon gar nicht, solange derlei Gesetze nicht eingebunden werden in breitere Konzepte, um Schwangere und junge Familien in finanzieller Not oder Konfliktsituationen unter die Arme zu greifen. Dies belegen Umfragen, aber auch immer wieder Abstimmungen wie jüngst in Ohio. Die Verantwortlichen in der Partei sollten sich mit Blick auf 2024 also schleunigst Gedanken machen. Verlieren sie mit einem zu strikten Kurs Wahlen, ist dem Lebensschutz auch nicht geholfen. Doch sie sind wohl gerade mit einem anderen Problem beschäftigt.   

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