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1,12 Millionen Franzosen auf der Straße

Am Donnerstag fand ein branchenübergreifender Generalstreik gegen die von der Regierung geplante Rentenreform statt – weitere Streiktage folgen.
Demonstration in Paris gegen Rentenreform
Foto: IMAGO/Adnan Farzat (www.imago-images.de) | Grund für die Proteste in Paris und anderen Städten ist die durch die Regierung geplante Rentenreform, die Präsident Emmanuel Macron bereits 2019 durchsetzen wollte.

Am Donnerstag sind laut Innenministerium 1,12 Millionen Franzosen gegen die von der Regierung geplante Rentenreform auf die Straße gegangen. Allein in Paris haben sich 80.000 Demonstranten zusammengefunden. Die Gewerkschaften sprachen sogar von über zwei Millionen Demonstranten. Klar ist: Die Zahl der Franzosen, die an dem Generalstreik teilnahmen, übertraf bei Weitem die Prognosen. Am Donnerstagabend einigten sich die acht größten Gewerkschaften Frankreichs auf einen nächsten Streiktag am 31. Januar. Möglich ist jedoch, dass Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Verkehrswesens darüber hinaus noch an weiteren Tagen streiken werden.

Breiter Widerstand und wochenlange Streiks

Grund für die Proteste ist die durch die Regierung geplante Rentenreform, die Präsident Emmanuel Macron bereits 2019 durchsetzen wollte. Auch sein erster Versuch traf auf breiten Widerstand und wochenlange Streiks und wurde letztlich durch die beginnende Corona-Pandemie auf Eis gelegt. Laut dem von Premierministerin Borne letzte Woche vorgelegten Vorschlag soll das Renteneintrittsalter bereits ab September 2023 von 62 auf 64 hochgesetzt werden. Auch möchte die Regierung branchenspezifische Sonderregelungen abschaffen. Gleichzeitig soll die Mindestrente auf 1.200 Euro angehoben werden. Für Menschen, die besonders früh begonnen haben, einer Erwerbsarbeit nachzugehen und die unter besonders harten Arbeitsbedingungen leiden, soll weiterhin ein früherer Ruhestand möglich sein. Mit 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts leistet sich Frankreich eins der teuersten Rentensysteme innerhalb der OECD. 

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Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OpinionWay von Dienstag dieser Woche sind zwei von drei Franzosen gegen eine Anhebung des Rentenalters, während fast 70 Prozent für die Abschaffung der branchenspezifischen Privilegien in der Rentenversicherung sind. Der Streik am Donnerstag betraf den öffentlichen Personenverkehr, den staatlichen Energieversorgungskonzern EDF, Schulen und Krankenhäuser, Radio- und Fernsehsender, Raffinerien, Kernkraftwerke und den Fernkraftverkehr. Bereits in den Vortagen war es an Tankstellen zu Benzinknappheit gekommen, da sich viele Franzosen aus Angst vor einer dauerhaften Blockade des Landes mit Kraftstoff eindeckten. 

Die Regierung begründet den Reformvorstoß mit einem drohenden Defizit in den Rentenkassen von 14 Milliarden Euro bis 2030. Eine Anhebung des Rentenalters soll derweil höhere Rentenbeiträge, Rentenkürzungen und eine weitere Staatsverschuldung vermeiden. Bereits im Wahlkampf Anfang 2022 hatte Macron in Bezug auf eine kommende Rentenreform sehr klar Flagge gezeigt. Seine Hauptkonkurrenten Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon sprachen sich bereits damals gegen jegliche Reformen im Bereich der Renten aus und stehen auch jetzt in der ersten Reihe der Opposition.

Le Pen: Reform muss rückgängig gemacht werden

Am Donnerstag twitterte Marine Le Pen: „Die von einer sehr großen Mehrheit der Franzosen und fast allen Arbeitnehmern abgelehnte Rentenreform muss schlicht und einfach rückgängig gemacht werden. Emmanuel Macron muss sich nun eines Besseren besinnen. Es ist nie zu spät, auf den Willen der Franzosen zu hören.“ Mélenchon, der an der Demonstration in Marseille teilnahm, sagte im Interview mit BFMTV: „Diese Schlacht hat die Regierung verloren, nämlich von der Notwendigkeit der Reform zu überzeugen. Die Menschen wissen, dass man ihnen ein kleines Stück ihres Lebens wegnimmt, um den entsprechenden Betrag anderen zu geben, den wenigen, die sich vollstopfen.“

Bis auf Weiteres wird die Regierung auch in den kommenden Tagen auf Argumente und Überzeugungskraft setzen, um die Reform wie geplant durchzuführen. Nach einer Vorstellung der Pläne im Kabinett soll in den kommenden Wochen die Nationalversammlung beraten.  DT/fha

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der "Tagespost" eine ausführliche Analyse zur geplanten Rentenreform in Frankreich und den anhaltenden Protesten.

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