Am 4. Februar 1897 erblickte Ludwig Erhard, der politische Vater der Sozialen Marktwirtschaft, als Sohn eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter in Fürth das Licht der Welt. „Wohlstand für alle“ versprach der damalige Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler dem von Krieg und Diktatur traumatisierten West-Deutschland - und tatsächlich wurde diese Ordnungsidee ein Erfolgsmodell mit breiten Wohlstandseffekten.
Bekennende Christen wie Erhard prägten die Soziale Marktwirtschaft
Was nun das spezifisch Christliche bei Ludwig Erhard und seiner Idee von Sozialer Marktwirtschaft ausmacht, ist zugegebenermaßen nicht erforscht. Immerhin ist überliefert, dass Alfred Müller-Armack, einer der Urväter der Sozialen Marktwirtschaft und Berater Erhards, diesen selbstverständlich als „frohen Christenmenschen“ bezeichnete.
Auch war Erhard von christlich geprägten Denkern umgeben, die ihn maßgeblich beeinflusst haben - denn als Vordenker der nach dem Zweiten Weltkrieg durch Erhard eingeführten Sozialen Marktwirtschaft gelten bedeutende Ökonomen wie Müller-Armack, Walter Eucken, Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow: Sie brachten ordoliberale Gedanken mit dem protestantisch-christlichen Menschenbild zusammen. Aber auch Katholiken wie Joseph Höffner oder Oswald von Nell-Breuning haben maßgeblich diese Konzeption des Dritten Weges zwischen Marktliberalismus und Sozialismus geprägt. Selbst die politische Umsetzung atmete mit dem nicht immer harmonischen Gespann Erhard-Adenauer einen ökumenischen Geist.
„Hilfe zur Selbsthilfe“ anstatt „Almosen für alle“
Zeitgeistige Versuche, ihn aufgrund seiner Studienkontakte in eine agnostische Traditionslinie zu stellen und ihn zum Anhänger der so genannten Historischen Schule der Nationalökonomie mit gar sozialistischen Sympathien zu erklären, müssen als Geschichtsklitterung verworfen werden. Zu erdrückend sind die Belege für die ordoliberal-christliche Prägung Erhards, sei es durch das Profil seiner engsten Ratgeber, sei es durch seine konkrete Politik oder auch durch seine Persönlichkeit.
Die Eckpfeiler seiner Ordnungspolitik: „Wohlstand für alle“ durch Wettbewerb, soziale Harmonie und persönliche Tugendhaftigkeit. Denn, so Erhard: Materielle Unabhängigkeit vom Staat als Ziel fördert und fordert Selbstvorsorge. Soziale Transfers gibt es nur für die wirklich Hilfsbedürftigen. Soziale Harmonie meint ein affektives Miteinander, das Neiddiskussionen verdrängt. Hierzu bedarf es eine Tugendbildung zu Leitungsbereitschaft und sozialem Miteinander.
Erhard war ein Mann seines Wortes
„Die Soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard zeigt“, so fasst es der Wirtschaftshistoriker Ulrich Blum zusammen, „dass ein Ordnungsrahmen versagt, wenn sich Individuen durch fehlende Tugend bewusst und systematisch gegen ihn versündigen – auch wenn ökonomische Anreize dafür sprechen, es zu tun.“ Die Marktwirtschaft ist so ein „Dienstwert“ (Nell-Breuning) zur Entfaltung des individuellen, sozialen und moralischen Menschseins. Ludwig Erhard selbst hat diese christliche Ethik geradlinig verkörpert bis hin zum Rücktritt als Bundeskanzler 1966 in dem Moment, wo er seine politischen Ziele zugunsten der Macht verraten hätte. Persönlichkeiten mit solcher Tugend schaffen Glaubwürdigkeit, die wir heute mehr denn je brauchen.
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