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Via Scandinavica auf der Ostseeinsel Fehmarn

Die Ostseeinsel Fehmarn ist Heimat eines Teilstücks der Via Scandinavica, dem nordischen Pilgerweg, der die skandinavischen Länder mit den Jakobswegen in Deutschland verbindet.
St. Nikolai in Burg
Foto: Imago Images | St. Nikolai in Burg ist die größte Kirche der Insel. Die mittelalterlichen Flügel- und Seitenaltäre im Inneren sind hervorragend erhalten.

Der Dänenkönig Knud II. war es, der 1580 mit einer Flagge der Insel Fehmarn ihren Namen gab. Darauf abgebildet ist eine Krone auf dunkelblauem Hintergrund. Ursprünglich kommt der Name Fehmarn aus dem Slawischen von „vermorie“, das „im Meer“ bedeutet. Bekannt ist das Eiland außerdem wegen seiner vielen Sonnenstunden auch im Herbst und Winter. Stürme verleihen der Sonneninsel das nordisch Unberechenbare, das Besucher ja durchaus auch suchen, wenn sie sich für einen Urlaub an der See entscheiden.

Was kaum jemand weiß: Deutschlands drittgrößte Ostseeinsel ist Heimat eines Teilstücks der Via Scandinavica, dem nordischen Pilgerweg, der die skandinavischen Länder mit den Jakobswegen in der Mitte und im Süden Deutschlands verbindet. 660 Laufkilometer sind es von Puttgarden im Norden Fehmarns bis nach Eisenach, wo nordische Gläubige an den Pilgerweg des Apostels Jakobus anknüpfen können, um letztendlich bis ins galizische Santiago de Compostela zum Grab von Jakobus dem Älteren zu pilgern.

Wallfahrt seit mehr als 1 000 Jahren

Schon vor mehr als 1 000 Jahren begaben sich Wallfahrer auf den Weg von Schweden, Dänemark und anderen nordischen Ländern übers Meer nach Fehmarn. Zahlreiche Muschelfunde in mittelalterlichen Gräbern belegen in der Hochzeit der Pilgerbewegung diese großen Pilgerströme aus dem Norden. Nach der Reformation war das Pilgern verboten und wurde erst in den letzten Jahren wieder populär. Auch heute noch sind die festgelegten Jakobswege mit einer gelben Muschel auf blauem Grund markiert. Damit verbindet ihr Abbild die Pilgerwege Skandinaviens und des Ostseeraumes mit denen in Mitteleuropa. Auch die Via Scandinavica gehört dazu.

Andrea Susanne Opielka ist Stadt- und Kirchenführerin auf Fehmarn. Sie erzählt, dass früher kleine offene Fischerboote die Pilger von Dänemark nach Fehmarn brachten. Hoher Seegang und Piratenangriffe stellten eine ernste Gefahr dar. Pilger mussten oft ihren Glauben mit dem Leben bezahlen. Um 1198 errichtete der dänische Herrscher Knud VI. auf beiden Seiten des Fehmarnbelts Pilgerkapellen, in denen die Gläubigen Gott um Schutz ersuchten und für die sichere Überfahrt dankten. Damit entsprach der König einer Bitte des Papstes, denn die Pilgergaben waren ein lukratives Geschäft, das auch dem Vatikan nicht verborgen blieb.

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Nahe Puttgarden stand bis 1644 die Peter-und-Paul-Pilgerkapelle. Die Wallfahrer steckten ihre Gaben in den sogenannten „Strandblock“, der damals vor der Kapelle am offenen Strand stand. Dieser historische Opferstock befindet sich heute in der Burger Sankt-Jürgen-Kapelle und kann besichtigt werden. Bis zur Reformation im Jahr 1542 diente die Peter-und-Paul-Kapelle den Fehmaranern als Wallfahrtsort. Heute erinnert den Besucher auf seinem Weg zum Strand eine Gedenktafel neben einem Findling und ein Schutzhäuschen mit Kreuz an das ehemalige Gotteshaus.

Bach und Buxtehude

Vor der Reformation hieß St. Nikolai in Burg, dem Hauptort der Insel, Maria-Magdalena-Kirche und war katholisch. Seit der Reformation ist die dreischiffige Hallenkirche evangelisch und weist in ihrem Inneren noch zahlreiche katholische Relikte auf. An den Seitenwänden hängen mehrere prächtige Flügelaltäre. „Bis zu acht Priester lasen hier Totenmessen“, erklärt Opielka. „Bis 1783 blieben alle Heiligenaltäre in der Kirche erhalten. Sie waren den Fehmaranern ganz offensichtlich wichtig.“ Erst später erkannten Experten ihren kunsthistorischen Wert.

Der gotische Flügelaltar im Chorraum zeigt 14 Szenen aus der Geschichte Jesu. Die Reliquie ist ein Stück rotes Tuch, das dem Mantel des Heiligen Nikolai zugerechnet wird. Die in Blei gegossene Kostbarkeit ist im Hochaltar verborgen.

Im Dezember 1705 besuchte Johann Sebastian Bach gemeinsam mit seinem Lehrmeister Dieterich Buxtehude das Städtchen Burg und natürlich St. Nikolai. „Wahrscheinlich hat er auf der damaligen Kirchenorgel gespielt“, ergänzt die Musikwissenschaftlerin Opielka. Bewiesen sei das zwar nicht, aber davon ausgehen könne man durchaus. St. Nikolai ist die größte Kirche auf Fehmarn, dagegen hat das zweischiffige Gotteshaus St. Johannis im nahen Petersdorf mit 64 Meter den höchsten Turm, der bis heute von Seefahrern als Landmarke genutzt werden kann.

Love-and-Peace-Festival

Auch weltliche Musik wurde auf der Ostseeinsel gespielt. Zum Beispiel musizierte Jimi Hendrix auf Fehmarn. Im September 1970 gab der Ausnahmekünstler im Rahmen des Love-and-Peace-Festivals sein letztes Konzert. Heute erinnert ein Gedächtnisstein im Südwesten der Insel an den weltberühmten Gitarristen.

Gäste, die im Herbst und Winter kommen, um die Schönheiten Fehmarns zu erkunden, können zwischen Ferienappartements, Hotels oder Pensionen wählen. „Mit den Fernblickhäusern haben wir hier einen ganz besonderen architektonischen Schatz“, sagt Cornelia Schönbrodt-Leßmann von Fehmarn-Tourismus. Trotzdem spalten die kargen Betontürme am Südstrand die Gemüter von Insulanern und Besuchern.

In den 1960er Jahren sollten die Hochhäuser der Inbegriff eines Seebades werden. Die Gemeinde gewann den berühmten dänischen Architekten und Designer Arne Jacobsen für die Gestaltung der gesichtslosen Riesen. Ursprünglich sollten sie nur drei bis vier Stockwerke haben, doch aufgrund des steigenden Raumbedarfs wurden sie letztendlich auf 17 Geschosse erweitert. In den Häusern Kopenhagen und Berlin sind Ferienappartements untergebracht. Das weiter östlich gelegene Haus Stockholm beherbergt eine Mutter-Kind-Klinik. Sämtliche Häuser sowie das von Jacobsen geplante Meerwasser-Schwimmbad Fehmare gleich nebenan stehen heute unter Denkmalschutz. „Da steckte der soziale Gedanke dahinter. Die Häuser sind durch einen gläsernen Promenadengang miteinander verbunden, in dem man Einkäufe erledigen oder die Gastronomie genießen kann“, ergänzt Schönbrodt-Leßmann.

Lukullische Genüsse auf der Insel

Nach Kunst, Kultur und Beton locken ausgedehnte Spaziergänge am Strand oder auf den Deichen. Für den kleinen Hunger zwischendurch bieten Insulaner lukullische Genüsse an: Unbedingt probiert werden müssen Kröpel, runde und süße Hefekugeln, die in den Insel-Bäckereien meistens Mittwochs gebacken werden. Ein weiteres typisches Gebäck sind die Wiener Ziegel, die mit einer Haube Lübecker Marzipan angeboten werden. Weitere typische Spezialitäten sind Zuckerkringel und Marschalltörtchen. Wer es deftiger mag gönnt sich Fischbrötchen mit Matjes, Lachs oder Krabben.

Kirchengeschichtlich interessierte Reisende kommen auf Fehmarn genauso auf ihre Kosten wie Erholungssuchende, denen der Sinn nach Strandwanderungen oder Schwimmen im Wellenbad steht. Gerade in den Herbst- und Wintermonaten, wenn es ruhiger wird, bietet sich die Insel für einen kleinen oder größeren Erholungsurlaub optimal an.

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