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Konrad Krajewski: Der Kardinal im Schacht

Konrad Krajewski, der Almosenmeister des Papstes, versorgt Hausbesetzer wieder mit Strom und sorgt für einen Skandal. Von Guido Horst
Kardinal Konrad Krajewski mit einigen der Hausbesetzer des Palazzo
Foto: IN | Kardinal Konrad Krajewski mit einigen der Hausbesetzer des Palazzo in der Nähe der Kirche Santa Croce di Gerusalemme.

War nicht auch Lech Walesa Elektriker? Polnische Elektriker scheinen ein besonderes Talent dafür zu haben, sich mit den Mächtigen anzulegen. So auch der ranghöchste Elektriker des Vatikans, der polnische Geistliche Konrad Krajewski, der jetzt aus gegebenem Anlass zum Besten gab, sich als junger Mann mit Stromsachen ausgekannt zu haben. Doch mit 19 Jahren zog es ihn in das Priesterseminar von £ódŸ, nach der Priesterweihe 1988 ging er nach Rom, wo er sich bei der päpstlichen Benediktinerhochschule San Anselmo in Sachen Liturgie spezialisierte und wohin er – der große Pole Johannes Paul II. saß auf dem Petrusstuhl – im Jahr 1998 zurückkehrte, um fortan im vatikanischen Amt für die liturgischen Feiern der Päpste Dienst zu tun.

Papst Franziskus schließlich gefiel das nebenbei von Krajewski gepflegte Engagement für die Obdachlosen und Hilfsbedürftigen rund um die Kolonnaden des Vatikans, so dass er ihn bereits im Sommer 2013 zum Leiter des Päpstlichen Almosenamtes machte und ihn im Konsistorium des vergangenen Jahres in den Kardinalsstand erhob. Von daher ist der polnische Purpurträger mit seinen 55 Jahren heute so etwas wie der „ranghöchste Elektriker“ des Vatikans.

Konrad Krajewski verursacht Schlagzeilen

Jetzt geriet er wieder einmal in die Schlagzeilen – doch nicht, weil er für Stadtstreicher Duschen und eine medizinische Station im Schatten der Kolonnaden des Petersdoms errichten ließ oder persönlich das Requiem für einen polnischen Obdachlosen feierte. Sondern weil er am vergangenen Samstag höchstpersönlich in einen Schacht gestiegen ist, um in einem besetzten Palazzo der römischen Innenstadt für 450 illegale Bewohner den Strom einzuschalten und diese wieder mit Licht, Wärme und Energie für die Kühlschränke zu versorgen. Da niemand der Palast-Besetzer je daran gedacht hatte, die Stromrechnungen zu bezahlen, hatte der Stromanbieter die Versorgung unterbrechen und die Sicherungskästen mit entsprechenden Plomben versiegeln lassen. Nachdem sich die Summe der nicht bezahlten Rechnungen zu einer Höhe von dreihunderttausend Euro aufgetürmt hatte, ging das Gebäude Anfang Mai vom Netz und die Bewohner saßen seither – mit Kindern und alten Menschen – im Dunkeln.

Die Sache war nicht ganz ungefährlich. Laut Betreiber besteht bei der Manipulation von Stromsicherungen sogar Lebensgefahr. Krajewski musste also alte Erfahrungen aus der Jugendzeit spielen lassen, um den Strom wieder fließen zu lassen. Was ihm auch gelang. Das Dumme allerdings: Der Palazzo gehört nicht dem Vatikan, ist riesengroß – weshalb er Platz für zweihundert Familien bietet –, hat sieben Stockwerke, diente einmal als Sozialamt, gehört einem zivilen Immobilienverwalter und ist seit 2013 besetzt. Also ein ordentlicher Brocken und kein Winkel in einem Hinterhaus. Krajewski tat also etwas Ähnliches wie ein Kultusminister Italiens, der sich auf vatikanisches Staatsgebiet begeben und auf der Kuppel des Petersdoms einen blockierten und versiegelten Fahrstuhl wieder in Betrieb setzen würde, damit die Alten und Behinderten nicht mehr mühsam über die Treppen steigen müssen.

„Der Robin Hood des Papstes“

Als man im Vatikan am Montag die Zeitungen aufschlug, sah man, was der polnische Kurienkardinal angerichtet hatte: einen diplomatischen Skandal ersten Ranges: Nicht nur die beiden römischen Tageszeitungen „Il Messagero“ und „Il Tempo“ machten die Geschichte zu ihrem Aufmacher, sondern auch nationale Leitmedien: „Die Herausforderung des Pontifex: Licht für den von Migranten und Entrechteten besetzten Palazzo“ titelte „La Stampa“, und „Der Robin Hood des Papstes“ prangte groß auf Seite eins von „La Repubblica“. Der Kardinal hatte ein Vergehen begangen, für das das italienische Strafgesetzbuch eine Haftstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren vorsieht. Auch wurde sofort Franziskus in die Angelegenheit hineingezogen – zumal sattsam bekannt ist, dass Krajewski, in dessen Kardinalswappen das alleinige Wort „Misericordia“ (Barmherzigkeit) Signalwirkung hat, einer der besonderen Augensterne des „Papstes der Armen“ ist. Dafür, dass – wie manche Medien schrieben – Krajewski sein kühnes Unterfangen vorher mit Franziskus abgesprochen habe, war jedoch im Vatikan keine Bestätigung zu erhalten.

Die größte diplomatische Verwicklung seit 1929

Eine politische Verwicklung also auf höchstem Niveau, wobei sich Italien im Europawahlkampf befindet, in dem der ausländerkritische und Migranten abweisende Innenminister Matteo Salvini von der rechts-populistischen „Lega“ so etwas wie den Gegenpol zur Linie des Papstes in Sachen Flüchtlinge und Ausgegrenzte darstellt. Aber Salvini braucht die Stimmen der katholischen Wählerschaft, darum ließ er zunächst nur verlauten, dass er davon ausgehe, dass jetzt, wo der Almosenmeister des Papstes den Strom in dem besetzten Palast wieder eingeschaltet habe, dieser „auch die dreihunderttausend Euro an offenen Rechnungen bezahlt“. Linke und die „Lega“-kritische „Bewegung der fünf Sterne“, die dennoch mit der Salvini-Partei die Regierung bilden, lobten die Tat des Kardinals. Sie sei ein Signal zugunsten der Armen und Ausgegrenzten. Doch unabhängig von Pro und Contra: Der Vatikan hat nun einen diplomatischen Betriebsunfall zu lösen, wie es ihn seit der Unterzeichnung der Lateranverträge von 1929 noch nie gegeben hat.

Dass der Almosenier des Papstes die offenen Rechnungen im Zuge einer nun gefragten gütigen Regelung bezahlt, könnte schon sein. Kardinal Krajewski steht zu seiner Tat. Zunächst hatte er die Präfektur der Stadt Rom angerufen und ihr bis Samstag 20 Uhr ein Ultimatum gestellt: Bis dahin müsse der Strom in dem Palazzo unweit der Kirche Santa Croce in Jerusalemme wieder fließen. Dann erschien er fünf Minuten nach 20 Uhr in dem Gebäude, mit Snacks und Spielzeug für die Kinder, stieg in den Schacht ein und hinterließ seine Visitenkarte an den Stromzählern. Es sei ein Akt der Verzweiflung gewesen, sagte er später. Die Schuld liege ausschließlich bei ihm und er sei bereit, die Konsequenzen zu tragen – wobei das nur schwer vorzustellen ist, da Krajewski als Vatikanbewohner und Kardinal diplomatische Immunität in Italien genießt.

Ein Ende der Affäre ist nicht abzusehen

Das Ende der Affäre ist nicht abzusehen. Noch am gleichen Samstagabend rückte der Stromanbieter mit einigen Autos voller Polizisten an, um die Stromzufuhr wieder zu sperren. Aber etwa zweihundert Bewohner des Gebäudes blockierten den Zugang zu den Zählern. In einer „Mieterversammlung“ haben sich die Hausbesetzer mit dem Kardinal solidarisiert und sich wegen der nicht bezahlten Rechnungen selbst angezeigt.

Rom hat nicht das erste Mal ein Problem mit Hausbesetzern. Insgesamt 92 Immobilien der Stadt werden von illegalen Insassen bewohnt. Die Räumungen verlaufen schleppend und werden jedes Mal zu einem Medienspektakel, das sich die Stadtverwaltung nicht für das Image der Touristenstadt wünschen kann. Aber dass nun ein Kurienkardinal mit einer spektakulären Aktion auf die Nöte und Missstände in der „Capitale“ hinweist, war dann doch ein gewisses Novum.

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