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Katakomben - Grabkammern der frühen Christen

Die christliche Begräbniskultur zeichnet sich dadurch aus, dass jedes Gemeindemitglied würdevoll bestattet werden soll. Unabhängig von seinen finanziellen Mitteln.
Katakomben
Foto: Imago/Imagebroker | Das Tuffgestein ist leicht zu bearbeiten und bietet daher optimale Bedingungen, Gänge zu ereichten. Diese Aufnahme stammt aus der Sebastiankatakombe an der Via Appia.

Waren die Katakomben vor allem Zufluchtstätten für die jungen Christen in Zeiten der religiösen Verfolgung? Dieser Irrglaube hat sich schnell verbreitet, nachdem im 15. Jahrhundert die römischen Katakomben allmählich wiederentdeckt wurden. Tatsächlich waren die Katakomben aber ausschließlich unterirdische Friedhöfe: Sie dienten der Bestattung von Gemeindemitgliedern, dem Gedenken an Verstorbene und der Verehrung von Heiligen.

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Ihr Anfang, damals noch vor den Stadtmauern Roms, lässt sich an die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert datieren. Zwar gab es bereits zuvor eindeutig christliche Grabstätten innerhalb heidnischer Friedhöfe, jedoch keine allein den Christen vorbehaltenen Begräbnisstätten. Solche Begräbnisorte waren aber zunehmend notwendig geworden.

Der Vorteil der Katakomben

Der christliche Glaube breitete sich weiter aus und gleichzeitig verbesserte sich die interne Gemeindeorganisation. Das Ziel der frühen Christen war dabei: Allen Gemeindemitgliedern sollte ein würdevolles Begräbnis ermöglicht werden, unabhängig von ihren finanziellen Mitteln. So berichtet etwa der spätere Kirchenvater Tertullian (160–240) um das Jahr 200 von gemeinschaftlichen Grabstätten in Karthago sowie einer „Gemeinschaftskasse“, aus der die Bestattungen ärmerer Gemeindemitglieder finanziert wurden.

Dass die Bestattungen in unterirdischen Friedhofsarealen stattfanden, hängt mit den geologischen Begebenheiten in der Region Latium zusammen: Das anstehende Tuffgestein bietet optimale Voraussetzungen für die Errichtung subterraner Gänge, da es zum einen leicht zu bearbeiten und zum anderen statisch äußerst belastbar ist.

Darüber hinaus hatten die Katakomben den „praktischen“ Vorteil, dass sie durch Nebengänge und zusätzliche Etagen einfache Erweiterungsmöglichkeiten boten. Ein frühes Beispiel solcher Erweiterungen ist die „Area I“ der Calixtus-Katakombe aus den Jahren 230 bis 240: Das Gängesystem weist zwei parallel zueinander verlaufende Hauptachsen auf, die durch quer verlaufende Korridore miteinander verbunden sind.

„Die gesamten Wandflächen der Gänge wurden von vertikal angeordneten Nischengräbern (den sogenannten loculi) eingenommen“, beschreibt der italienische Archäologe Vincenzo Fiocchi Nicolai. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Praetextat- und Novatian-Katakombe sowie im ältesten Bezirk des Coemeterium Maius an der Via Nomentana und im unteren Stockwerk der Priscilla-Katakombe.

Epigraphische Zeugnisse aus den römischen Katakomben

Das Loculus-Grab ist die typische Bestattungsmethode in den Katakomben. Die Nischen in den Wänden wurden mit Marmor- oder Ziegelplatten oder mit einer Mischung von Mörtel und Steinen verschlossen. Auf den Verschlussplatten oder im Mörtel wurden teilweise – in der Regel sehr kurze – Inschriften angebracht. Insgesamt sind über 40 000 epigraphische Zeugnisse aus den römischen Katakomben bekannt. Ihr Inhalt variiert stark, Inschriften mit religiösem Gehalt hätten nur eine kleine Minderheit dargestellt, schreibt der italienische Archäologe Danilo Mazzoleni.

Viele der Gräber sind „anonym“ gehalten und geben nicht einmal den Namen des Verstorbenen wieder. Nicht selten erfolgte eine Kennzeichnung des Bestattungsortes durch kleine Gegenstände, wie beispielsweise Terrakotten, Münzen, Schmuckstücke oder Gläser, die in den noch frischen Mörtel gedrückt wurden.

Die Denkweise der frühen Christen

Angelegt wurden die Gänge und Gräber von den sogenannten Fossores. Diese Facharbeiter, die auch für die Bestattungen der Verstorbenen zuständig waren, zählten seit dem frühen 4. Jahrhundert zur kirchlichen Hierarchie. Sie sind durch zahlreiche inschriftliche und bildliche Zeugnisse in den Katakomben verewigt.

Die Loculus-Gräber geben einen Einblick in die Denkweise der frühen Christen: Unabhängig vom gesellschaftlichen Stand wurden Gemeindemitglieder auf dieselbe Weise bestattet; der Gedanke der Gleichheit dominiert. Selbst die Gräber der neun Päpste von 235 bis 283 in der sogenannten „Papstgruft“ der Calixtus-Katakombe waren einfache Loculi.

Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch schon früh aufwendigere Bestattungsformen entwickelten. In Anlehnung an unterirdische Grabanlagen aus der römischen Kaiserzeit wurden innerhalb der christlichen Katakomben einzelne Grabkammern, sogenannte Cubicula, angelegt, in denen sich Mitglieder reicher Familien bestatten ließen. Die Kammern boten dann Platz für größere Gräber und Sarkophage und waren oft mit Malereien verziert.

Christus als der „Gute Hirte“

Ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts finden sich vor allem bildliche Darstellungen, die den Aspekt göttlicher Rettung hervorheben: Die Geschichte des Propheten Jona, Daniel in der Löwengrube, Abraham und Isaak. Beliebt ist das Bildnis Christi als „Guter Hirte“, welches gerne im Zentrum der gewölbten Decke der Grabkammern angebracht wurde.

Um die Wende zum 4. Jahrhundert kommen vermehrt Szenen aus dem Neuen Testament zum Bildrepertoire hinzu, wie etwa die Auferweckung des Lazarus, Brotvermehrungen und Heilungswunder Jesu. Zu dieser Zeit wurden die Cubicula immer größer; nicht selten waren sie durch Lichtschächte beleuchtet und boten Sitzgelegenheiten und Tische für das „Refrigerium“, das Totenmahl.

Folgen der konstantinischen Wende

Die konstantinische Wende (312/313) sorgte für ein schnelles Wachstum der christlichen Gemeinden und zog eine Ausdehnung der Friedhöfe nach sich. Vor allem die Priscilla-Katakombe, die Katakombe an der Via Anapo und die Katakombe von Santi Pietro e Marcellino erfuhren merkliche Erweiterungen.

„In den dreißiger und vierziger Jahren des 4. Jahrhunderts […] setzte sich das Wachstum der Katakomben weiter fort. Im Gegensatz zu den davor entstandenen Bereichen entstehen nun vermehrt monumentale Grabstätten“, so der Archäologe Vincenzo Fiocchi Nicolai. Besonders die Bereiche unter den in konstantinischer Zeit errichteten Umgangsbasiliken von San Sebastiano an der Via Appia sowie von Sant’Agnese an der Via Nomentana wurden in dieser Zeit zu Zentren.

Auswirkung der Heiligenverehrung auf Bestattungen

Der Niedergang der Nutzung lässt sich in die 360er-Jahre datieren. Unter Papst Damasus I. (366–384) erfuhren die Grabareale einen Bedeutungswandel weg von Gemeindefriedhöfen hin zu Verehrungsstätten für Märtyrer. Durch die neuen großen Friedhofsbasiliken war der Raum für oberirdische Begräbnisse geschaffen.

Einzelne Areale der Katakomben wurden unzugänglich gemacht. Es entstanden Rundgänge, welche die Gläubigen gezielt zu den Gräbern der Heiligen leiten sollten und für einen reibungslosen „Durchlauf“ der Menschenmengen sorgten.

Mit der Heiligenverehrung stieg zwar zunächst die Zahl der Bestattungen „ad sanctos“, also in der Nähe der Heiligen, an, aber auch dieses Phänomen ebbte spätestens mit dem beginnenden 5. Jahrhundert wieder ab. Bereits im 7. Jahrhundert wurden sterbliche Überreste der Heiligen in die Kirchen der Stadt überführt und die Katakombenüber Jahrhunderte „vergessen“ .


Der Autor schreibt über kirchengeschichtliche Themen.

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