Für das Ehegattensplitting soll der Anfang vom Ende gekommen sein – so zumindest lassen sich die Äußerungen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) deuten. In der „BILD“-Zeitung hatte sich Paus gestern mit den Worten zitieren lassen, der „Abschied vom veralteten Instrument des Ehegattensplittings“ sei „überfällig“. Dieses sei nämlich „ein Instrument, das allein die klassische Ehe steuerlich begünstigt. Und das, obwohl vielfältige Familienmodelle längst Teil unserer Gesellschaftsrealität sind.“ Diese „Ungerechtigkeit“ werde man beenden und stattdessen „Familienvielfalt fördern“. Dazu sei die von der Ampelkoalition ins Auge gefasste Abschaffung der Steuerklassen III und V, mit denen sich der Splittingvorteil beim laufenden Lohnsteuerabzug bei entsprechender Einkommensverteilung der Ehepartner maximieren lässt, der „Startpunkt“.
Dieser Interpretation widersprach Finanzminister Christian Lindner (FDP) freilich noch am gleichen Tag gegenüber dem Nachrichtenportal „t-online“: „Die Aussage der Kollegin Paus ist rätselhaft, denn das Ehegattensplitting wird auf keinen Fall abgeschafft“, so Lindern. Die Reform der Steuerklassen sei im Gegenteil die „Alternative zur Abschaffung des Ehegattensplittings“. Er als Finanzminister werde jedenfalls die Abschaffung des Splitting-Vorteils verhindern – denn die sei eine „Steuererhöhung ausgerechnet für Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen“. „Die Aussagen von Frau Paus“, so Lindner zum Vorstoß seiner Ministerkollegin, seien „eine Vorahnung, was die Grünen mit der arbeitenden Bevölkerung planen“.
CSU: „Frontalangriff“ auf Familien
Auch aus der Union regte sich Widerspruch. Vom Hessische Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) hieß es am heutigen Dienstag, die Ehe stehe „aus gutem Grund unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes“. Eine Abschaffung des Ehegattensplittings wäre ein „Frontalangriff auf Millionen Familien in unserem Land“. Die Grünen würden mit ihren Plänen beweisen, dass sie für eine „Politik gegen die breite bürgerliche Mitte“ stünden. Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nahm Paus‘ Vorstoß gar zum Anlass für die Absage an Schwarz-Grün im Bund: „Dass die Familienministerin jetzt familienfeindliche Steuererhöhungen einfordert, zeigt die ganze ideologische Verbohrtheit der Grünen“, so Dobrindt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Mit diesen Grünen“ könne es „keine Koalition nach der Bundestagswahl geben.“
Die Abschaffung der Steuerklassen III und V hatte die derzeit regierende Ampelkoalition bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Unter der Überschrift „Ökonomische Gleichstellung“ hieß es dort: „Wir wollen die Familienbesteuerung so weiterentwickeln, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden. Im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung werden wir die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen, das dann einfach und unbürokratisch anwendbar ist und mehr Fairness schafft.“ Nun ist klar: die Abschaffung soll ab 2030 wirksam werden – also erst in der übernächsten Legislaturperiode.
Ein Anreiz, wenig zu arbeiten?
Linken Politikern ist das Ehegattensplitting seit langem ein Dorn im Auge, da Ehepaaren durch die gemeinsame Veranlagung Vorteile gegenüber unverheirateten Paaren entstehen, wenn sich die Einkommen der Partner stark unterscheiden – etwa weil die Ehefrau für die Kinderbetreuung weniger oder nicht arbeitet. Für die Kritiker aus der Politik gilt das Splitting – ebenso wie für viele Ökonomen – als Anreiz für Frauen, weniger zu arbeiten. Wählen die Ehegatten dann noch die Steuerklassenkombination III/V, so können sie ihre jeweiligen Grundfreibeträge vollständig dem Partner mit dem höheren Einkommen anrechnen lassen. Dieser zahlt dadurch wegen der Progression der Einkommensteuer (je höher der Verdienst, desto höher der Steuersatz) vor Abgabe der Steuererklärung deutlich weniger Steuern als in der Kombination der Steuerklassen IV/IV, in der die Eheleute zunächst wie getrennt veranlagt werden. Der Partner mit dem niedrigeren Einkommen zahlt dafür verhältnismäßig viel an Steuern, was häufig als wenig gerecht betrachtet wird.
Das von Finanzminister Lindner nun als „Alternative“ bezeichnete „Faktorverfahren“ sieht im Gegensatz zur Kombination III/V nicht vor, die Splittingvorteile schon vorab quasi nur einem Ehepartner zuzuweisen, sondern reduziert die individuelle monatliche Steuerlast bei beiden Partnern um den gleichen Faktor, und zwar so, dass die prognostizierte Steuerschuld gemäß Splittingtarif schon unterjährig erreicht wird. Die Höhe der Steuernach- oder Rückzahlungen soll dadurch relativ gering sein. (DT/jra)
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