Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kirchen-Reform

„Auf Jesus zu schauen ist das Erste“

Was bedeutet es, eine synodale Kirche zu sein? Dazu hielt Papst Leo in Assisi vor den Bischöfen Italiens eine programmatische Ansprache.
Papst Leo XIV. in Assisi
Foto: IMAGO/ABACA (www.imago-images.de) | Leo widmete den zentralen Teil seiner Ansprache in Assisi der Synodalität, die sich nicht auf eine Methode oder eine Phase reduzieren lasse.

Kurz vor dem Start zu seiner ersten Auslandsreise in die Türkei und in den Libanon hat Leo XIV. Assisi besucht, um still am Grab des „Poverello“ zu beten und anschließend vor der Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz zu sprechen. In der Frühe des Donnerstagmorgens hatte ihn ein Helikopter nach Assisi gebracht, nach einem abschließenden Besuch der Augustinerinnen von Montefalco und einem gemeinsamen Mittagessen flog er wieder ab.

Lesen Sie auch:

Die Vollversammlung der Bischöfe war zugleich der Abschluss des Synodalen Wegs der Kirche Italiens und Papst Leo begann seine dichte und programmatische Ansprache mit dem Hinweis auf das, was im Zentrum aller kirchlichen Reformen und Entwicklungen stehen muss: „Auf Jesus zu schauen ist das Erste, wozu auch wir berufen sind.“ Das Herzstück des christlichen Daseins, bekräftigte er, sei „keine Tätigkeit, sondern eine Beziehung: die Beziehung zu Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen“. In einer Zeit, die von Zerstreuung und Effizienzstreben geprägt ist, „müssen wir zu den Grundlagen unseres Glaubens, zum Kerygma, zurückkehren“, und das gelte „vor allem für uns“, also für die Hirten.

Der Blick auf Jesus befähigt zur Brüderlichkeit

Leo widmete den zentralen Teil seiner Ansprache der Synodalität, die sich nicht auf eine Methode oder eine Phase reduzieren lasse. Leo XIV. betonte den Zusammenhang zwischen dem Glauben und der Verantwortung gegenüber anderen. „Wenn wir unseren Blick auf das Antlitz Jesu richten, werden wir fähig, die Gesichter unserer Brüder und Schwestern zu sehen“, sagte er.

Der Papst stellte das in einen konkreten globalen Kontext: Man lebe in einer Welt, in der „oft Botschaften und Sprachen verbreitet werden, die von Feindseligkeit und Gewalt geprägt sind“, in der das Streben nach Effizienz „die Schwächsten zurücklässt“, die Technologie „die Freiheit einschränkt“ und die Einsamkeit „die Hoffnung zermürbt“. In diesem Szenario sei die Kirche aufgerufen, „Handwerkerin der Freundschaft, der Brüderlichkeit und authentischer Beziehungen“ zu sein, ohne Zurückhaltung oder Ängste.

Das stehe am Ausgangspunkt, wenn man von Synodalität spreche, die bedeute, „gemeinsam mit Christus und auf dem Weg zum Reich Gottes gehen, in Einheit mit der ganzen Menschheit“, sagte der Papst. Vom Herrn empfange man die Gnade der Gemeinschaft, die die menschlichen und kirchlichen Beziehungen belebe und präge. Dabei forderte der Papst von den Bischöfen ein konkretes Engagement, um „dem Gesicht einer kollegialen Kirche Gestalt zu geben“.

Weniger Diözesen und mehr Konsultation bei der Auswahl der Bischöfe

In diesem Zusammenhang sprach Leo XIV. eine Besonderheit der Kirche Italiens an: die Vielzahl der Diözesen. Die Herausforderungen der Evangelisierung und die Veränderungen der letzten Jahrzehnte, die den demografischen, kulturellen und kirchlichen Bereich betreffen, würden dazu herausfordern, „beim Thema der Zusammenlegung von Diözesen nicht zurückzustecken, vor allem dort, wo die Anforderungen der christlichen Verkündigung uns dazu auffordern, bestimmte territoriale Grenzen zu überwinden und unsere religiöse und kirchliche Identität offener zu gestalten, indem wir lernen, zusammenzuarbeiten und das pastorale Handeln durch die Bündelung unserer Kräfte neu zu überdenken“.

Konkret sprach Papst Leo von dem Wunsch, „dass die Bischöfe jeder Region eine sorgfältige Unterscheidung vornehmen und realistische Vorschläge für einige der kleinen Diözesen mit wenigen personellen Ressourcen unterbreiten, um zu prüfen, ob und wie sie ihren Dienst weiterhin anbieten können“.

Die Kollegialität, so fuhr Leo fort, lege auch eine Überarbeitung der Verfahren zur Ernennung neuer Bischöfe nahe: Es bedürfe „einer stärkeren Beteiligung der Menschen an der Konsultation“ in Abstimmung zwischen dem Dikasterium für die Bischöfe und der Apostolischen Nuntiatur.

Zudem müssten die Bischöfe lernen, „sich zu verabschieden“. Er bekräftigte, dass „es gut ist, die Regel der 75 Jahre“ für das Ende des Dienstes der Bischöfe einzuhalten und dass nur im Falle von Kardinälen eine mögliche Verlängerung um zwei Jahre in Betracht gezogen werden könne. Eine Kirche, die synodal sein wolle, dürfe Ämter nicht als Privatbesitz betrachten und nicht zulassen, dass „Trägheit die notwendigen Veränderungen verlangsamt“.

Ein Humanismus, der alle und alles umfasst, auch die digitale Welt

Leo XIV. erinnerte an den Weg, den die Kirche Italiens seit dem Zweiten Vatikanum mit vielen kirchlichen Versammlungen genommen habe, und bat darum, dass die diözesanen Gemeinschaften und die Pfarreien die Erinnerung daran bewahren, denn es sei in der Kirche „von wesentlicher Bedeutung, sich an den Weg zu erinnern, den der Herr uns durch die Zeit in der Wüste gehen lässt“. In dieser Hinsicht solle die Kirche in Italien weiterhin „einen ganzheitlichen Humanismus fördern, der den Lebensweg des Einzelnen und der Gesellschaft unterstützt und begleitet; ein Menschheitsverständnis, das den Wert des Lebens und die Sorge um jedes Geschöpf hervorhebt und sich prophetisch in die öffentliche Debatte einbringt, um eine Kultur der Legalität und Solidarität zu verbreiten“.

In diesem Zusammenhang dürfe die Herausforderung, vor die die digitale Welt die Kirche stelle, nicht vergessen werden. Die Seelsorge dürfe sich nicht darauf beschränken, die Medien zu „nutzen”, sondern müsse dazu erziehen, „die digitale Welt auf menschliche Weise zu bewohnen, ohne dass die Wahrheit hinter der Vervielfachung der Verbindungen verloren geht, damit das Netz wirklich ein Raum der Freiheit, der Verantwortung und der Brüderlichkeit sein kann“.

Die Leiden lindern, vor Missbrauch schützen

„Gemeinsam gehen, mit allen gehen“, meinte Papst Leo weiter, bedeute auch, „eine Kirche zu sein, die unter den Menschen lebt, ihre Fragen aufnimmt, ihre Leiden lindert, ihre Hoffnungen teilt. Bleibt weiterhin den Familien, den Jugendlichen, den älteren Menschen und denen, die in Einsamkeit leben, nahe. Setzen Sie sich weiterhin für die Armen ein: Die christlichen Gemeinschaften, die in der Region verwurzelt sind, die vielen Seelsorger und Freiwilligen, die Diözesan- und Pfarrcaritas leisten bereits großartige Arbeit in diesem Sinne, und dafür bin ich Ihnen dankbar.“

Der Papst verwies auch auf „die Kleinsten und Schwächsten“, damit sich weiterhin eine Kultur der Prävention jeder Form von Missbrauch entwickle. „Die Aufnahme und das Zuhören gegenüber den Opfern sind das authentische Merkmal einer Kirche, die in ihrer gemeinschaftlichen Bekehrung die Wunden erkennt und sich bemüht, sie zu lindern, denn wo der Schmerz tief ist, muss die Hoffnung, die aus der Gemeinschaft entsteht, noch stärker sein“. 

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Guido Horst Bischöfe Christengemeinschaften Jesus Christus Leo XIV. Päpste Seelsorgerinnen und Seelsorger

Weitere Artikel

Eine US-Studie zeigt einen Wandel im Selbstverständnis von Priestern. Für sie hängt die Zukunft der Kirche von geistlicher Glaubwürdigkeit ab – nicht von Strukturen.
07.11.2025, 19 Uhr
Barbara Stühlmeyer
Was ist Synodalität? „Niemand ist dazu berufen zu befehlen, alle sind dazu berufen zu dienen“, predigte Papst Leo bei der Heilig-Jahr-Feier der Synodenteams in Rom.
29.10.2025, 21 Uhr
Guido Horst
Der Papst hat den Finger in eine der Wunden der Kirche in Deutschland gelegt. Der Konferenzvorsitzende täte gut daran, sich selbst einmal in Frage zu stellen.
19.09.2025, 11 Uhr
Guido Horst

Kirche

Zwischen Grabreihen und Suppenküche: Die Kölner Initiative „Gubbio“ macht sichtbar, was die Stadt oft übersieht: das kurze, harte Leben ihrer Wohnungslosen.
20.11.2025, 14 Uhr
Josefine Winkler Isabel Wodatschek
Letzter Ausweg Sterbehilfe? Junge Gläubige lehren die säkularisierte Öffentlichkeit, dass der Tod kein Grund zur Verzweiflung ist.
20.11.2025, 11 Uhr
Regina Einig
Das deutsch-vatikanische Ringen um das Statut eines synodalen Gremiums für die Kirche Deutschlands geht in die nächste Runde.
20.11.2025, 17 Uhr
Guido Horst
Die Missstände in der Türkei wird der Papst in Ankara allenfalls vorsichtig ansprechen. Er kommt als Fürsprecher der kleinen, verletzbaren christlichen Herde.
19.11.2025, 19 Uhr
Stephan Baier