Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Aus aller Welt

Father Andrew Cox: Erst Soldat, dann Priester

Father Andrew Cox: Über eine unerwartete Begegnung in Südafrika.
Father Andrew Cox.
Foto: Gregg East GOcreative/St. James | Mann mit Durchblick: Father Andrew Cox.

Die Idee war, das Home Office mal ganz in den Süden zu verlegen. Dass die Grippe dort zuschlagen würde, war nicht in unserem, aber vielleicht in Gottes Plan. Am Samstag vor Palmsonntag führt der erste, noch in sehr schwachem Zustand eingeschlagene Weg, nach Kalkbay, Cape Town – weiter traue ich mich mit dem Auto noch nicht allein – angeschlagen, Linksverkehr, Sonne pur bei über 30 Grad. Weil ich unsicher bin, fahre ich durch Kalkbay hindurch bis nach St. James. Ich hatte, bevor die Grippe sich bemerkbar machte, gesehen, dass es dort einen leicht zu erreichenden Parkplatz gegenüber der Kirche gibt.

Ich steige aus, blicke auf die pittoreske Kirche und denke – ein Besuch beim Herrn wäre doch schön, bevor ich versuche, wenigstens einmal ein wenig zu bummeln. Mit noch wackeligen Knien gehe ich die Stufen zur Kirchentür hinauf – sie ist zu meiner großen Enttäuschung verschlossen.

Als ich mich herumdrehe, sehe ich einen großen, weißhaarigen Herrn mit römischem Kragen und freundlichem Lächeln aus dem danebenliegenden Pfarrgarten auf mich zu kommen. Er fragt auf englisch, was ich denn wolle. Ich antworte: Den Herrn besuchen.

Der Priester schließt die Kirche auf

Das, findet er, sei eine wundervolle Idee und gibt mir zu verstehen, dass er mir die Kirche aufschließen wird. Allein mit dem Herrn bin ich dann in St. James, False Bay, South Africa. Dankbar für dieses Wunder der Realpräsenz. Der freundliche Priester kommt wieder auf mich zu, als ich die Kirche verlasse und fragt, woher ich denn sei. Seine Reaktion auf mein Herkunftsland Deutschland: Was ist denn in Deutschland los? Was haben sie vor? Wollen sie eine neue Reformation?

Ziemlich perplex höre ich dann auch seine Frage: Sollte nicht einfach die Kirchensteuer abgeschafft werden – sei das nicht das Übel? Auf Nachfrage wird klar: er kennt auch den Brief der polnischen Bischöfe, der Skandinavier – ist die Welt in Sorge um die Kirche in Deutschland?

Neugierig frage ich nach dem Namen und der Herkunft dieses Geistlichen: Father Andrew Cox stammt aus der Nähe – alles ist irgendwie noch Cape Town. Zur Schule ging er auf die Rondebosch Boys High School, eine halbe Stunde Autofahrt von hier ins Landesinnere; Lieblingshobby: Hockey. Seine Berufungsgeschichte ist gerade – und auch wieder nicht. Schon als Kind wusste er, dass er Priester werden wollte. Aufgewachsen in einer katholischen Familie. Als Heranwachsender – mit 18 – war das dann alles nicht mehr so sicher, und ein weiser Mann gab ihm den Rat, erst einmal zum Militär zu gehen. In dieser Zeit war er dann auch involviert in den Krieg in Angola: „Als wir uns im Krieg mit den Sowjets, der DDR, Kuba und der MPLA befanden, habe ich als Ausbilder die Neuzugänge für den Einsatz trainiert und war dann an der Erprobung neuer Waffen beteiligt, um der verheerenden Feuerkraft der Sowjets zu begegnen.“

Involviert in den Angolakrieg

Gemeint ist der Bürgerkrieg in Angola – er begann 1975 unmittelbar vor Angolas Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal und nahm zeitweise den Charakter eines Stellvertreterkrieges zwischen dem damaligen Ostblock – einschließlich Kubas – und den Westmächten – einschließlich des Apartheidregimes in Südafrika – an.

Lesen Sie auch:

Doch die Kriegserfahrung hat ihn zurückgebracht zu seiner Berufung, er wurde Priester und war in zahlreichen Gemeinden seiner Heimatdiözese Cape Town tätig. In Constantia, der wunderschön gelegenen Weingegend der Superlative mit sattgrünen Hügeln, die sich sanft an den Tafelberg schmiegen, hatte er vor zehn Jahren das vermutlich tiefste und leidvollste Erlebnis seines Lebens. Nach der Heiligen Messe am Sonntagabend – er hatte das Licht schon ausgeschaltet – hörte er ein Rascheln im Gebüsch. Da geschah es: er wurde von drei maskierten Personen überfallen.

Sie waren auf der Suche nach Geld, und im Handgemenge stachen sie den damals 50-jährigen nieder. Sie versuchten sogar, ihm die Augen auszustechen. Stark blutend mit Stichwunden an Oberschenkel und im Rücken ließen die Angreifer ihr Opfer auf dem Betonboden liegen. Father Andrew merkte, dass er stark blutete und legte sich flach hin, um den Blutverlust zu verringern. Zum Aufstehen zu schwach „verbrachte er eine lange Nacht im Gebet.“ Er bereitete sich auf den Tod vor, weil ihm klar war, dass es lange dauern würde, bis am nächsten Morgen jemand kommen würde – und er betete für seine Angreifer. „Ich sagte immer wieder: ,Vergib ihnen, Vater, denn sie wissen nicht, was sie tun‘. Ich hatte enorme körperliche Schmerzen, aber ich hatte totalen inneren Frieden“, so der Geistliche.

Alle Messen sind ausgebucht

Vielleicht ist es diese Erfahrung, die zur tiefen Ausstrahlung von Father Andrew beigetragen hat. Dass er Priester geworden ist, scheint jedenfalls die richtige Entscheidung gewesen zu sein. In der Nachbargemeinde, Fisch Hoek, muss man sich für die Heiligen Messen schon nicht mehr anmelden. In St. James hingegen sind schon lange vor dem Fest alle Messen an Ostern komplett ausgebucht. Woran das liegt, frage ich. Der Priester lächelt freundlich: „Die Gläubigen wollten nach dem Lockdown gern wieder in die Kirche kommen.“ Bei seiner Klarheit wundert mich das nicht. Er sagt, es gehe doch immer um Christus. Jesus Christus sei doch die eigentliche Mitte. Das ist anziehend und attraktiv und beschert St. James – soweit die Pandemie es erlaubt – eine volle Kirche. Auch hier ist nur die Belegung von 50 Prozent der Plätze gesetzlich erlaubt. Dabei werden in dieser Pfarrei die Sakramente in Ehren gehalten: Beichtgelegenheit gab es in der Fastenzeit jeden Morgen von Montag bis Samstag ab 8 Uhr und zusätzlich noch Freitags- und Samstagsabends jeweils für mindestens eine halbe Stunde.

Vielleicht strahlt seine Bescheidenheit auch auf seine Gemeinde ab und macht es den Schafen leichter, zu den Sakramenten zu kommen. Neugierig frage ich, da wir ja schon kurz über die deutsche Kirchensteuer gesprochen haben, was er eigentlich verdiene. 2 000 Rand. Bezahlt von den Gläubigen seiner Gemeinde. Das sind 120 Euro im Monat. Und Father Andrew ist glücklich: „Bei so armen Gemeinden hilft die Erzdiözese Kapstadt, wenn es eben nicht zum Leben reicht.“

Der ehrenamtliche Parkwächter

Er berichtet noch, dass er die gesamte Vorbereitung für den Palmsonntag und die Heilige Woche fast alleine stemmen musste – die Covid-Lockdowns haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter zur Mangelware werden lassen. Bei einer Arbeitslosigkeit von mehr als 35 Prozent (in der zweitgrößten Volkswirtschaft Afrikas sind das 7, 9 Millionen Menschen) muss jeder Erwachsene sehen, wo und wie er Geld verdient, da bleibt für ehrenamtliches Engagement wenig Zeit. Ehrenamtlich unterwegs ist jedoch der Herr in gelber Warnweste, der den Parkplatz gegenüber betreut. Auf fast jedem Parkplatz in Südafrika gibt es jemanden, der hofft, ein paar Rand zu verdienen. Da ich unsicher bin, frage ich, ob ich Gebühren zahlen muss. Doch Father Andrew erläutert, dass Willi dort versucht, ein wenig Geld zu erbetteln – er habe starke Arthritis und könne seinem Beruf nicht mehr nachgehen.

Beim Abschied segnet er mich – und ich bin tief berührt. Eine unerwartete Seelenverwandtschaft in Südafrika dank der weltumspannenden katholischen Kirche – und Willi freut sich über den Dank fürs Aufpassen auf mein Auto und die „Parkgebühr“.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Claudia Kaminski Bischof Heilige Messe Jesus Christus Kirchensteuer Reformation der christlichen Kirchen

Weitere Artikel

Kirche

Zu Ostern werden nur wenige Pilger erwartet. Es ist Zeit, an die Christen im Heiligen Land zu denken.
27.03.2024, 11 Uhr
Regina Einig