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Vatikan-Astronom: „Alles was Ihre Freunde über Galileo wissen, ist falsch“

Galileo wurde nicht exkommuniziert, gefoltert oder verbrannt. Woher kommen diese Ideen, fragt der Astronom an der Vatikanischen Sternwarte, Christopher Graney, im National Catholic Register.
Projektion des Astronomen Galileo Galilei im Zeiss-Planetarium in Jena.
Foto: Jan-Peter Kasper (dpa-Zentralbild) | Eine Projektion des Astronomen Galileo Galilei, aufgenommen am 16.10.2006 im Zeiss-Planetarium in Jena.

In der katholischen Zeitung National Catholic Register weist der Astronom und Wissenschaftshistoriker Christopher Graney an der Vatikanischen Sternwarte (Specola Vaticana) in Rom und der „Vatican Observatory Foundation“ in Tucson, Arizona, populäre Vorstellungen im Hinblick auf Galileo Galilei zurück. Anlass für seine Richtigstellungen seien Stapel von „Galileo-Hassmails“, die die Vatikanische Sternwarte erreichten. Diese sagten viel aus über „das heutige Problem mit der Wahrheit“.

Es wimmelt nur so von Fehlinformationen über Galileo

Bei den „Mails“ handele es sich um Kommentare in den sozialen Netzwerken. Hintergrund dafür sei die Berichterstattung in einigen Medien über den Start der neuen Webseite der Sternwarte im Frühling dieses Jahres. Diese Medienberichte hätten die Sternwarte wohl in den Blick jener gebracht, die „die jahrhundertelange wissenschaftliche Arbeit des Vatikanischen Observatoriums nicht mit der Geschichte von Galileo in Einklang bringen konnten. Sie hinterließen Kommentare, in denen sie behaupteten, dass Katholiken schon immer Menschen ‚grillten‘, weil sie Wissenschaft betrieben und so weiter“.

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Aus diesen „so falsch informierten“ Kommentaren habe man an der Vatikanischen Sternwarte erfahren, dass Galileo „das erste Weltraumteleskop erfunden“, dass die Kirche Kopernikus – und auch Galileo - auf dem Scheiterhaufen verbrannt, dass sie ihn gefoltert und exkommuniziert habe und so weiter. In Galileos Fall sei es leicht, herauszufinden, „wo es von Fehlinformationen nur so wimmelt. In Kinderbüchern, in Büchern für Touristen, die nach Italien reisen, ja sogar in Sprachbüchern, können wir finden, dass Galileo von der Kirche verfolgt wurde, weil er bewies, dass sich die Erde bewegt, dass er exkommuniziert wurde und so weiter. Aber Galileo bewies nicht, dass sich die Erde bewegt. Er wurde nicht exkommuniziert. Er erfand nicht das Teleskop. Er wurde nicht gefoltert, nicht verbrannt, und auch Kopernikus nicht. Woher stammen also diese Ideen?“

Schon Johannes Paul II. sprach vom "Mythos von Galileo"

Graney zählt einige – „scheinbar seriöse“ Bücher auf, die sogar erst kürzlich erschienen und die „das fördern, was Papst Johannes Paul II. einst als den ‚Mythos‘ von Galileo bezeichnete“. So etwa schreibe der Harvard-Astronom Avi Loeb in seinem auch auf Deutsch erschienenen Werk „Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“ (2021), dass Galileo wegen Häresie von Leuten vor Gericht gestellt worden sei, die sich geweigert hätten, noch nicht einmal durch sein Teleskop zu schauen, und dass er gezwungen worden sei, sein Datenmaterial und seine Entdeckungen zu verwerfen. Der bekannte Autor Mario Livio argumentiere in seinem 2020 publizierten Buch „Galileo and the Science Deniers“ (erscheint im November 2022 bei dtv auf Deutsch unter dem Titel „Galileo Galilei: Das Wissen im Kampf mit der Macht“), dass Galileos Gegner „Wissenschaftsleugner“ gewesen seien. Livio schreibt in seinem Werk, dass Galileo gezwungen worden sei, das aufzugeben, „was er als einzige logische Folgerungen“ betrachtet habe.

All dies seien jedoch Falschinformationen, betont Graney. Die oben erwähnten Bücher enthielten „Fehler, manche davon ganz elementare, trotz all der – beispielsweise für einen Harvard-Autor - verfügbaren Quellen. Wie kann das sein? Vielleicht, weil wir heute wissen, dass sich die Erde tatsächlich bewegt, und weil der Galileo-Mythos so geläufig ist. Keiner berücksichtigt, dass die Bewegung der Erde zu Galileos Zeiten wissenschaftlich nicht klar ersichtlich war“. 

Katholiken müssen nach der Wahrheit suchen

Wollen wir aber nun die Wahrheit oder Mythen, fragt Graney. „Wollen wir wirklich erfahren, was wahr ist und was nicht, oder wollen wir einfach nur das bestätigt haben, was wir schon wissen, damit wir es in die sozialen Medien schleudern können?“ Wenn all das, was wir wollen, tatsächlich sei, eine „Story“ über Galileo zu haben, „der bewies, dass sich die Erde bewegt, und der von einer Clique mächtiger Männer zu Fall gebracht wurde, die noch nicht einmal durch ein Teleskop schauen und damit selbst erkennen wollten, dass er recht hatte – dann sind Bücher, die Mythen weiterverbreiten, kein Problem“. 

Doch Katholiken müssten nach der Wahrheit suchen, betont Graney. Dies sei auch einer der Gründe, „weshalb der Vatikan ein astronomisches Observatorium unterhält und damit an der Suche nach wissenschaftlichen Wahrheiten mitwirkt“.  DT/ks

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