Auch wenn es heute das Vorurteil gibt, Theologie und Spiritualität seien ganz verschieden, so hat sie doch Réginald Garrigou-Lagrange als Einheit gesehen. Der 1877 in Südfrankreich geborene Garrigou-Lagrange lehrte mehr als ein halbes Jahrhundert an der Dominikanerhochschule in Rom. Zwischen 1917 und 1960 hatte er den ersten Lehrstuhl weltweit für spirituelle Theologie, ganz dem Thomismus verpflichtet, wie sein Schüler Marie-Rosaire Gagnebet über ihn schrieb.
Das innerliche Leben
Zugleich knüpfte Garrigou-Lagrange an die Mystik von Theresa von Ávila und des Johannes vom Kreuz an. Gegenstand der spirituellen Theologie ist das „innerliche Leben“. Ein echtes Innenleben hat hiernach nur der, der dem Wort Gottes lauscht und aus dem inneren Monolog einen Dialog mit Gott werden lässt. Das Ziel ist somit, das innere Leben zu vervollkommnen im Zwiegespräch der Seele mit Gott. Garrigou-Lagrange ruft mahnend in Erinnerung, dass es im Himmel nur noch Heilige geben wird. Daher sollte der Weg der Seele die Reinigung sein bis zur mystischen Vereinigung der Seele mit Gott.
Schon zu Lebzeiten hatte Garrigou-Lagrange eine außergewöhnliche Wirkung, indem er sich gegen die modernistische Nouvelle Théologie stellte. Sein berühmtester Schüler war Johannes Paul II., der bei ihm über den Glaubensbegriff von Johannes vom Kreuz promovierte. Seine letzten Jahre verbrachte er in weitgehend geistiger Umnachtung, wobei er jedoch nicht seine Liebe zu Gott verlor. DT/ari
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe der Tagespost in der nächste Folge der Philosophenreihe einen Bericht über Réginald Garrigou-Lagrange.