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Hof: Orgelbau in Hochfranken hat Tradition

Die Stadt Hof bewährt sich seit dem späten Mittelalter als Orgelstandort mit technischer Innovativkraft und viel Gespür für die Fortentwicklung der Orgeln.
Orgel der Hofer Marienkirche
Foto: Ludger Stühlmeyer | Stilrein erhaltene romantische Orgeln wie die in der Hofer Marienkirche sind heute Raritäten.

Das hochfränkische Hof nimmt in der bayerischen Orgellandschaft eine Sonderstellung ein. Mit der Schwalbennestorgel aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in der 1292 gegründeten Klosterkirche „Unserer Lieben Frau“, verfügte sie über eines der frühesten Zeugnisse des Orgelbaues in Franken. Nur in der Nürnberger Spitalkirche und im Eichstätter Dom finden sich ebenso Belege aus dieser Zeit. Damit erweist sich die mittelalterliche Stadt Hof als Standort, der von dem Interesse des Franziskanerordens an technischer Innovation profitierte.

In der 1230 erbauten St.-Michaelis-Kirche, heute evangelische Stadtkirche, entstand durch die Mönche 1450 ein weiteres Instrument, das 1543 mit Flügeltüren versehen und 1566 auf drei Manuale erweitert wurde. Mit dieser Größe erfüllte diese Orgel einen zu jener Zeit in Süddeutschland einzigartigen Standard. Das Instrument, an dem 1605 auch Timotheus Compenius (um 1550–1608) gearbeitete hatte, fiel dem Dreißigjährigen Krieg durch Kanonenkugeln und Brand zum Opfer. Durch die Silbermannschüler Graichen und Ritter, die sich in Hof niedergelassen und ihren Betrieb an den eigenen Zögling Heidenreich weitergereicht hatten, entstand in Hof eine neuerliche Orgelbau-Tradition. Die 1834 in St. Michaelis neu erbaute Heidenreich-Orgel, ein bis heute erhaltenes Instrument mit drei Manualen und 63 Registern, wurde in den Jahren 2005 bis 2007 von der Firma Schuke aus Berlin restauriert.

„Nur in wenigen Kirchen sind die äußere,
neugotische Form und die innere Ausgestaltung bis hin zur Orgel
so vollständig bewahrt geblieben wie hier.“

Da ein Gottesdienstraum immer auch ein Klangraum ist, hatte die katholische Pfarrgemeinde Hofs engagiert in die musikalische Zukunft investiert, als sie 1865 im Stadtzentrum die neue Kirche baute. Wie vielerorts, so prägten spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auch im Raum Hof überregional tätige Orgelbaufirmen die Gestalt der Orgellandschaft. Nach der Übernahme der eigentlich zu kleinen Heidenreich-Orgel von 1843 aus der Vorgängerkirche, ließ man 1885 von einer der damals renommiertesten bayerischen Orgelbaufirmen, Steinmeyer aus Oettingen, eine Orgel bauen, die, bis heute original erhalten, zu den beachtenswerten historischen Instrumenten des Orgelbaues der deutsch-romantischen zählt. Die katholische Stadtkirche St. Marien hat eine besondere Ausstrahlung, weil sie eine geschlossene künstlerische Form unverändert behalten durfte. Nur in wenigen Kirchen sind die äußere, neugotische Form und die innere Ausgestaltung bis hin zur Orgel so vollständig bewahrt geblieben wie hier.

Die erhaltenen Orgeln von Georg Friedrich Steinmeyer (1819–1901) zeigen, dass dieser Orgelbauer zu Recht zu den Großen des 19. Jahrhunderts zählt und im bayerischen Orgelbau stilbildend wirkte. Gerade die am Ende jenes Jahrhunderts noch mit mechanisch gesteuerten Kegelladen erbauten Instrumente weisen eine faszinierende bauliche und klangliche Ästhetik auf. Auch die Orgel der Marienkirche zeichnet sich durch diese Qualitäten aus und stilrein erhaltene romantische Orgeln sind heute eine Rarität geworden.

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Neben barocken Orgeln waren romantische geschätzt

Steinmeyer kam 1884 nach Hof, begutachtete den Kirchenraum und nahm die Maße der Orgelempore, sein Kostenvoranschlag datiert vom 12. Juli 1884. Die Orgel wurde genau nach diesem Plan erbaut. Steinmeyer hat aber für das II. Manual nachträglich noch zwei weitere Register angeboten. Obwohl nicht verlangt, hat er doch die Windlade dafür vorbereitet, sodass hier durch die Firma Steinmeyer später die Register Oktavin und Mixtur ergänzt werden konnten. Steinmeyer konzipierte die Orgel nach dem Walcker´schen Vorbild als mechanische Kegelladenorgel, einem Spezifikum, dem er bis in die 1880er Jahre treu blieb. Im Spieltisch wird sie als Opus 268 bezeichnet und wurde am 1. März 1885 eingeweiht.

Spieltisch und Gehäuse bilden eine mit neugotischem Dekor versehene stilistische Einheit. Vor dem Orgelgehäuse steht der freistehende Spieltisch mit Blickrichtung in das Kirchenschiff. Die Manualklaviaturen, aus weißem Bein- und Ebenholz gefertigt, und die Pedalklaviatur sind original erhalten. Die Registerzüge liegen in drei Ebenen links und rechts der Klaviaturen. Im Orgelprospekt steht der Prinzipal 8' aus dem I. Manual. Rückwärtig im Untergehäuse liegt der große Doppelfaltenmagazinbalg mit zwei untergehängten Schöpfern. Er kann heute sowohl elektrisch, als auch auf die ursprüngliche mechanische Weise mit einem Trethebel, betätigt werden. Im Obergehäuse befindet sich hinter dem Prospekt die Hauptwerk 4' Lade, darüber die 8' Lade vom ersten Manual. Dahinter liegen im gleichen Aufbau übereinander die Laden des zweiten Manuals, vom Hauptwerk durch einen Stimmgang getrennt. Rückwärtig tiefstehend schließt die Pedallade an.

Technische Leckerbissen

 

Die Metalllegierung im Prospekt besteht aus 14-lötigem englischem Zinn. Innerhalb der Orgel verwendete Steinmeyer das zwölflötige Probzinn. Neben dem Violon 16' und dem Subbaß 16' bildet die Posaune 16' die Pedal-Basis. Das grundtönige 8' Spektrum umfasst Register wie Geigenprinzipal, Cello, Tibia, Viola di Gamba, Lieblich Gedeckt, Aeoline oder Dolce. Eine Rarität ist die durchschlagende Zunge Fagott-Clarinet. Neben einer mechanischen Manual- und zwei Pedalkoppeln verfügt die Orgel über drei Kollektivzüge. Durch ein Gutachten des damaligen Direktors des Würzburger Zilcher Konservatoriums Erwin Horn angeregt, begannen 1989 die Überlegungen zu einer Restaurierung des Instruments. Das Gutachten spiegelt eine sich neu formierende Bewegung wider, die neben barocken Instrumenten auch die historisch wertvollen romantischen Instrumente in den Blick nahm. Denselben Standpunkt vertrat auch Hans Wolfgang Theobald, Chefkonstrukteur der Firma Klais, in seinem 1993 erstellten Gutachten.

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Nach der unter Einbeziehung von Oberlandeskonservator Sixtus Lampl aus München durch die Bonner Orgelbaufirma Klais von April 1994 bis Februar 1995 stilgerecht ausgeführten Restauration konnte das Instrument auf den Tag genau zum 110. Jahrestag der Orgelweihe am 1. März 1995 fertiggestellt werden. Kernstück der Maßnahme war vor allem die Beseitigung entstandener Schäden wie aufgerissene Stimmrollen oder zerbeulte Stimmmündungen, die neue Belederung der Kegel und Konterventile und die Anlage einer sachgerechten Intonation. Die Erweiterung um das Cornet-Register im ersten Manual geschah sowohl im Hinblick auf die diesbezüglichen räumlichen Möglichkeiten der Orgel, als auch auf die Gestaltung von Dispositionen vergleichbarer Steinmeyer-Orgeln dieser Epoche.

Auch die Hofer Pfarrkirche St. Konrad, 1954 erbaut und bis 2010 Sitz eines Jesuitenkonventes, erhielt 1957 eine Orgel der Firma Steinmeyer mit der Opuszahl 1941.

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