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„Asterix“: Niveau der Comic-Reihe ist stark gesunken

Schade - das Niveau befindet sich stark im Sinkflug: Noch gelten Asterix und Obelix zu Recht als Comic-Klassiker. Die neuen Hefte orientieren sich zu sehr am schnellen Kommerz.
Asterix und Obelix
Foto: dpa | Auch wenn Obelix es nicht gerne hören mag: Sein jüngstes Abenteuer mit Asterix, „Asterix und der Greif“, wird dem Kultstatus der Reihe nicht gerecht.

Es gibt nur wenige Schauplätze, an denen römisch geprägte Antike und gegenwärtiger Zeitgeist in solch fruchtbarer Beziehung zueinander stehen wie im von den Römern besetzten Gallien. Ganz Gallien? Nun, die Antwort ist mittlerweile eine geflügelte und der von René Goscinny (1926-1977) und Albert Uderzo (1927-2020) erschaffene Held aus der europäischen Popkultur nicht mehr wegzudenken: Blonder Schnauzer, Zaubertrankfläschchen am grünen Gürtel, ein Meter 19 klein: Asterix. Seines Zeichens Krieger, „voll sprühender Intelligenz“, gewissermaßen der Ur-Franzose, der sich seit nunmehr über 60 Jahren besten Alters erfreut und Gaius Julius das Cäsarenleben zur Hölle macht.

Was am 29. Oktober 1959 zaghaft auf einer einzelnen Seite in der französischen Jugendzeitschrift „Pilote“ begann und 1967 erstmals auch hierzulande mit bunten Bildern in Erscheinung trat, ist heute ein publizistischer Selbstläufer: Denn was aus der Idee eines kulturkritischen Feldzugs gegen die Folgen der amerikanischen Besatzungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg heraus entstand, ist bereits seit Jahrzehnten eine große Gelddruckmaschine.

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Seit Goscinnys Tod ist der Gallier nicht mehr derselbe

Doch zumindest zu Beginn der Comic-Reihe gelang es den Machern, Kunst und Kommerz sich gegenseitig die Waagschale halten zu lassen. Denn gerade die Asterix-Comics aus den Glanzzeiten der 1970er Jahre, als Uderzo und Goscinny noch gemeinsam Pinsel und Feder führten, gelten zu Recht schon beinahe als kulturelle Monumente. Stets glückte es den beiden Asterix-Erfindern zum damaligen Zeitpunkt mit ihren in angeblich lang vergangener Zeit spielenden Geschichten, auch den jeweils aktuellen Zeitgeist fein-ironisch abzubilden und zu begleiten. Der dennoch nicht zu kurz kommende durchaus brachiale Humor sorgte zudem dafür, dass die „Asterix“-Comics auch für ein Massenpublikum und nicht nur für Geschichts- und Lateinfreunde interessant waren.

Als jedoch das Herz des 51-jährigen René Goscinny völlig unerwartet am 5. November 1977 während einer Routineuntersuchung stehen blieb, erstarb mit ihm laut Meinung vieler Kritiker und Asterix-Fans auch ein Teil des künstlerischen Triebwerks, das den Asterix-Kosmos bis zu diesem Zeitpunkt beeindruckend anschwellen ließ: Denn mit Goscinny starb ein hochgradig kreativer Mensch, Autor und Publizist

„An die hohe Schlagzahl an Veröffentlichung
und auch das hohe inhaltliche Niveau zu Goscinnys Zeiten
konnte der Zeichner und nunmehr zusätzlich auch als Texter fungierende Uderzo
nur noch selten anknüpfen“

Zwar konnten mit „Obelix GmbH & Co. KG“ und „Asterix bei den Belgiern“ in den Jahren 1978 und 1980 noch aus dem schriftstellerischen Nachlass Goscinnys geschöpft werden. Doch an die hohe Schlagzahl an Veröffentlichung und auch das hohe inhaltliche Niveau zu Goscinnys Zeiten konnte der Zeichner und nunmehr zusätzlich auch als Texter fungierende Uderzo nur noch selten anknüpfen. War es beiden gemeinsam noch möglich, allein im Jahr 1973 „Asterix in Spanien“, „Streit um Asterix“ und „Asterix bei den Schweizern“ zu publizieren, folgten in den 1980ern lediglich fünf neue Comics, in den 1990er Jahren zwei und in den 2000er Jahren immerhin vier.

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Während Uderzo in diesen Jahrzehnten die Comicveröffentlichungen also reduzierte, erkannte er gleichzeitig das Potenzial eines anderen Mediums: des Films. Neben dem unter anderem heute zum Kult avancierten „Asterix erobert Rom“ aus dem Jahr 1976 kamen in den 1980ern gleich drei gezeichnete Asterix-Filme hinzu, in denen Uderzo teils als Art Director, teils als Drehbuchautor fungierte. Mittlerweile gibt es außerdem vier Real-Verfilmungen mit Gerard Depardieu als Obelix und insgesamt acht Zeichentrickfilme – inhaltlich meist aus Geschichten bestehend, die noch aus der Glanzzeit von Goscinny und Uderzo stammen. Zuletzt erschienen drei Animationsfilme – ein weiterer soll 2022 folgen: „Asterix und Obelix: Die Seidenstraße“. Schon mit dem ersten Real-Spielfilm „Asterix und Obelix gegen Cäsar“ konnten 1999 allein im Kino über 100 Millionen Dollar erwirtschaftet werden. Dass in den Filmen Sport-Ikonen wie Zinedine Zidane und Leinwand-Legenden wie Alain Delon als Julius Caesar ihre Auftritte haben, sorgte für zusätzliche Aufmerksamkeit.

„Asterix und der Greif“: Plattitüden statt Humor

Seit Albert Uderzo 2013, sieben Jahre vor seinem Tod am 24. März 2020, das Zepter an seine beiden Nachfolger, den Zeichner Didier Conrad und den Texter  übergab, findet „Asterix“ nicht mehr nur in Kino-, sondern auch wieder vermehrt in Comicform statt. Der Veröffentlichungsrhythmus von „Asterix“ ist seitdem ein nie zuvor da gewesener: Alle zwei Jahre wird ein neuer Band veröffentlicht und das hochgradig kommerzialisiert – die Strategie wirkt durchgetaktet. Denn jeder neue Band wird standardmäßig mit einer Millionenerstauflage gedruckt und in bis zu 17 Sprachen gleichzeitig übersetzt.

Vergangenes Jahr – genauer gesagt im Jahr 2021 nach Christus – wurde das nun bereits 39. Kapitel der scheinbar unendlichen Asterix-Saga aufgeschlagen. In der Geschichte von Conrad und Jean-Yves Ferri stoßen Asterix, sein Freund Obelix und dessen Hund Idefix in bisher unbekanntes Gebiet vor: Das Land der Sarmaten, das im heutigen Iran liegt. Einem Gebiet, das von den Römern schlicht „Barbaricum“ genannt wird und in dem es mythologische Fabelwesen wie Chimären, Hydren und Harpyien geben soll. Cäsar aber hat es auf ein bestimmtes Wesen abgesehen: den Greif. Wenn er dieses imposante Geschöpf dem Pöbel bei Zirkusspielen vorführen kann, so denkt er, würde das seine Regentschaft krönen.

 

In Europa ging „Asterix und der Greif“ am 21. Oktober vergangenen Jahres gleich mit einer Auflage von fünf Millionen Exemplaren an den Start. Davon zwei Millionen in Frankreich und 1,5 Millionen auf dem deutschen Markt – für 12 Euro pro Comicheft. Das sind beeindruckende Zahlen, die zu Beginn in der Form noch nicht abzusehen waren. Denn der erste Teil der Reihe, „Asterix, der Gallier“, war in der deutschen Erstauflage von 1968 noch auf überschaubare 50 000 Hefte limitiert. Heute bedeutet Asterix vor allem eines mehr denn je: Geld. So steigerte sich im Oktober 2019, als der 38. Band, „Die Tochter des Vercingetorix“, veröffentlicht wurde, der Umsatz des deutschen stationären Buchhandels im vierten Quartal um circa drei Millionen Euro. Das Abenteuer um die Titelheldin Adrenaline, eine Karikatur der Klima-Aktivistin Greta Thunberg, wurde öffentlichkeitswirksam in den Schaufenstern der Bücherläden und auf extra angefertigten Papp-Aufstellern drapiert.

So auch bei seinem neuen Abenteuer. Asterix soll eine Sarmatin befreien, die gezwungen wird, sich der Greif-Expedition der Römer anzuschließen. Aber nicht nur die amazonenhafte Dame sorgt in dieser Geschichte für Furore: Denn es ist der Geograf Globulus, ein Spottbild des französischen Bestseller-Autors Michel Houellebecq, der Cäsars Schar anführt. Er soll durch unerforschtes Gebiet zum Greif geleiten. Die Darstellung des Enfant terribles der zeitgenössischen Literatur liegt zwar ob seiner nie größer gewesenen Popularität auf der Hand – sein neuer Roman „Vernichten“ ist erst vor kurzem erschienen. Doch die für Asterix-Comics typische, zumeist kritische Absicht hinter dem Globulus-Charakter bleibt dem Leser verborgen. War die Darstellung von Thunberg sowie der mit ihr einhergehenden und sich 2019 auf dem aktivistischen Gipfel befindenden „Fridays for Future“-Bewegung in gesellschaftlicher wie kultureller Hinsicht ein logischer Schritt, dient die Karikatur Houellebecqs in diesem Sinne keinem erkennbar höheren Ziel.

Einzig die Verkaufszahlen scheinen den Inhalt zu prägen

Im Falle von Globulus beziehungsweise Houellebecq muss sogar konstatiert werden, dass Überzeichnung nicht immer mit kulturkritischem Mehrwert einhergeht. Zwar könnte zugunsten der Autoren durchaus eingewendet werden, dass sich Houellebecq mit seinem Roman „Karte und Gebiet“ aus dem Jahr 2010 für die Rolle des Geografen qualifiziert habe. Doch erstens erschließt sich die Relevanz des Houellebecque‘schen Romaninhalts – einem Porträt-Künstler gelingt der Durchbruch – für die Asterix-Geschichte nicht und zweitens erscheint es vielmehr so, dass die Verantwortlichen hinter den Asterix-Geschichten erkannt haben, dass Persönlichkeiten wie Thunberg und Houellebecq in verballhornter Comicform längst per se Verkaufsargumente für bestimmte Lesergruppen sind. Ein Unterfangen, das kurzfristig zu schwarzen Zahlen führen mag, langfristig wohl eher scheitern wird. Besonders Fans der ersten Stunde werden es erkennen, wenn ihr Lieblingsheld Asterix nicht mehr länger respektiert, sondern bloß nur noch auf dem Markt ausgestellt wird wie ein lächerlich gewordener Gladiator im alten Rom.

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