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Wolfgang Beinert: Robin Hood gegen die Amtskirche

In seiner Autobiographie steht Wolfgang Beinert stets auf der richtigen Seite der Geschichte.  Tiefe persönliche Eindrücke und Reflexionen sollte man aber nicht erwarten. 
Wolfgang Beinert, katholische Dogmatiker und Dogmenhistoriker
Foto: Barbara Just (KNA)

Der katholische Dogmatiker und Dogmenhistoriker Wolfgang Beinert  erweist sich in seinen kürzlich vorgelegten „Autobiografischen Skizzen“ als geschmeidige theologische Nebelmaschine und routinierter kirchenpolitischer Sprechautomat. Über weite Passagen wählt er Formulierungen, die in theologische Programmschriften gehören, aber sicherlich nicht in das, was Leser gemeinhin von einer Autobiografie erwarten dürfen.

In der eigenen Lebensbilanz stilisiert sich Beinert als Robin Hood der von der bösen katholischen Amtskirche Unterdrückten. In der Tat: Als Joseph Ratzinger Präfekt der Glaubenskongregation war, hatte er in Beinert einen eloquenten Gegner, der keine Gelegenheit ausließ, Kardinal Ratzinger als engstirnig zu brandmarken. Doch als Ratzinger 2005 Papst wurde; als die BILD-Zeitung „Wir sind Papst!“ titulierte und Millionen den neuen Papst beim deutschen Weltjugendtag feierten, wusste sich Beinert in den Medien geschickt als überzeugter „Ratzinger-Schüler“ und somit scheinbar enger Vertrauter des Papstes in Szene zu setzen, der regelmäßig nach Rom zu Privataudienzen reiste. 

Opportunistisches Hin und Her kommt in der Biografie nicht vor

Als Benedikt dann ab 2010 wegen vorgeblicher Missbrauchsvertuschung ins Visier geriet, wurde aus dem Papst-Intimus Beinert schnell wieder der distanzierte Ratzinger-Kritiker, der im Kinofilm „Verteidiger des Glaubens“ (2019) scharf gegen den emeritierten Papst schoss.
So trifft auf Beinert wie auf kaum jemand anderen das Diktum des Publizisten Henryk M. Broder zu: „Eben waren wir noch alle Papst, jetzt brechen wir den Stab über den Pontifex.“ In Beinerts Autobiografie wird dieses opportunistische Hin und Her freilich nicht deutlich. Zwar bekennt er sich auch dort als Ratzinger-Schüler, selbstredend jedoch als streng wissenschaftlich-distanzierter, der sich vom Personenkult um Ratzinger/Benedikt XVI. angeblich immer ferngehalten habe.

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Gleicht man die mitunter doch recht steilen – zugegebenermaßen sprachlich gefällig in Szene gesetzten – Behauptungen des Buchs an den Fakten der Realität ab, so muss man Beinert leider ein dehnbares Verhältnis zur Wahrheit attestieren. Insbesondere die Beweislage der in dem Buch reichlich vorhandenen impliziten und stellenweise auch expliziten Kritik an theologischen und kirchlichen persönlichen Gegnern basiert auf äußerst dürftiger Beweislage. In autobiografischen Skizzen möchte man ja genuin Einblicke in Persönliches, Privates, naturgemäß auch Gescheitertes erhalten. Nichts davon in der teflonartigen Glattschreibe Beinerts. 

Tiefe persönliche Einsichten fehlen

Wirkliche Persönlichkeit überdeckt er hinter kirchenpolitischen und fachtheologischen Wortschwällen – will er damit eine mögliche Eindimensionalität seiner privaten Persönlichkeit bewusst überdecken? So bleibt das hier vermittelte Persönlichkeitsbild Beinerts leider frei von menschlichen Eigenschaften – außer Zähigkeit und Geschmeidigkeit. Für den wachen Leser, die aufmerksame Leserin entsteht zwischen den Zeilen des Buchs der schale Eindruck eines Konjunkturritters, der es stets verstand, sich dem jeweils bestehenden theologischen und kirchenpolitischen System anzuschließen, um selber medial glänzend dazustehen.

 Die wahren Hintergründe dieses bedauerlichen Psychogramms sind dem Autor der Autobiografie natürlich keine Zeile wert. Zu guter Letzt: In autobiografischen Äußerungen anderer bekannter katholischer Dogmatiker wie Edward Schillebeeckx oder Herbert Vorgrimler wird wohltuend, manchmal auch überraschend deutlich, dass Theologie und Spiritualität zusammengehören, ja sich biografisch gegenseitig befruchten. Beinerts Autobiografie jedoch kann man von vorne bis hinten lesen, ohne einen einzigen frommen Gedanken fassen zu müssen.
Das scheint bezeichnend für sein theologisches Lebenswerk – Frömmigkeit wertete er stets als gleichbedeutend mit Fundamentalismus – und wohl auch für den Menschen Wolfgang Beinert. Für Beinert-Fans rundet dieses Buch sein Vielschreiber-Œuvre gewiss bestens ab. Für alle anderen ist es eine überraschungsfreie Selbstbeweihräucherung, welche das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt ist.

 Wolfgang Beinert: Dem Ursprung Zukunft geben. Autobiografische Skizzen. Regensburg: Pustet 2022, 616 Seiten, ISBN: 9783791733609, EUR 38,-

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