Man könne sich selbst nicht ermorden, so sagt Anwalt Biegler in der ersten Hälfte von „GOTT“, deshalb solle man auch nicht von „Selbstmord“ sprechen, sondern von „Suizid“. Das Stück, das zurzeit im Residenztheater München läuft, hat etwas von einer Podiumsdiskussion und von einem Gerichtsprozess. Verhandelt wird anhand eines konkreten Falles, dem Todeswunsch von Elisabeth Gärtner, gespielt von Charlotte Schwab, ob es ethisch vertretbar sei, Suizidbeihilfe zu leisten.
Rhetorik statt Katharsis
Schirach setzt in „GOTT“ dabei nur auf Argumente. Verschiedene gesellschaftliche Kräfte – Medizin, Recht und Kirche – sind durch Figuren vertreten, die als Sprachrohr ihrer Instanzen dienen. Emotional geht es um Pathos: Schuldzuweisungen, Distanzierungen, Betretenheit und Empörung verdecken echte Verletzlichkeit. Gefühle, die besser in eine Talkshow oder ein Twitter-Drama passen als in ein Theater. Die Emotionen und Konsequenzen eines freiwilligen Suizids auf das Umfeld dürfe man nicht stellen: So echauffiert sich Elisabeth Gärtner über jene, die glauben, dass sie es sich mit ihrer Entscheidung leicht mache. Bevormundung, lautet die Anklage. Bei einem Stück, dass Autonomie für das einzig gültige Maß nimmt, sind Abhängigkeiten von anderen Menschen eben hinderlich. Erschreckend einsam – so fühlt sich „GOTT“ von Ferdinand von Schirach an. DT/sdu
Mehr über die Münchner Inszenierung von Schirachs „GOTT“ lesen Sie in der kommenden Ausgabe der „Tagespost“.