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Keine Erfindung des Mittelalters

Zurück zu den Quellen: An dem Schlüsselwerk des Münchener Theologen Andreas Wollbold zum Zölibat in der antiken Kirche kommt keine Debatte zur Ehelosigkeit der Priester mehr vorbei.
Kardinal Brandmüller lobt Wollbold-Werk zum Zölibat
Foto: Arne Dedert (dpa) | Ein Werk, das in Zukunft jeder zur Kenntnis nehmen müssen wird, der sich zum Thema „Zölibat“ äußern will: So schätzt Kardinal Walter Brandmüller das Werk des Pastoraltheologen Andreas Wollbold zum Zölibat ein.

Unter dem Titel „Zölibat – Schlüsseltexte aus den Anfängen bis zum 5. Jahrhundert“ hat der Münchener Ordinarius für Pastoraltheologie Andreas Wollbold unter Mitarbeit des Altphilologen Johannes Isépy ein Werk vorgelegt, das zum ersten Mal eine umfassende Quellensammlung zur Geschichte des Klerikerzölibats enthält und somit eine solide Grundlage für die seit gut hundert Jahren geführte ideologiebefrachtete Diskussion über dieses Thema bietet.

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Von seriösen Darstellungen wie den Werken von Henry Crouzel (1963), Roger Gryson (1970), Christian Cochini (1981/90), Alfons Stickler (1993) und Stefan Heid (2003) abgesehen war es eher vordergründige Publizistik, die diese Diskussion ohne solide Quellenkenntnis führte. Nicht selten wurde gar behauptet, der Zölibat sei eine Erfindung des Mittelalters gewesen. Daraus zog man dann die Folgerung, dass dieses mittelalterliche Gesetz so wie eingeführt auch wieder abgeschafft werden könne, wenn es denn veränderte Zeitumstände forderten.

Sachlich-solide Erörterung des kontroversen Themas Zölibat

Mit dem mehr als tausend Seiten umfassenden Werk Wollbolds wird nun zum ersten Mal die Grundlage für eine sachlich-solide Erörterung des kontroversen Themas Zölibat geboten. Jede künftige Diskussion darüber wird davon ausgehen müssen.

Von besonderem Gewicht ist schon die hundert Seiten umfassende Einleitung, die zunächst einen Rückblick auf die bisher erschienene Literatur zum Thema bietet. Es folgen „methodische Bemerkungen zur Textarbeit“ und dann ein „Ausblick auf die weitere historische Zölibatsforschung“.

Das Corpus des Werkes besteht aus Texten ab der nachapostolischen Zeit und aus „frühen Rechtsquellen“. Es folgen Texte von Clemens von Alexandrien, Origenes, Tertullian, Cyprian von Karthago und anderen. Sodann werden Zeugnisse aus dem griechischen Raum geboten, denen ebensolche aus dem lateinischen Westen folgen. So von Ambrosius, Hieronymus und so weiter. Auch aus dem übrigen Italien und Nordafrika – man denke an Augustinus – sind einschlägige Zeugnisse angeführt. Schließlich folgen Synoden in Ost und West, an die sich erste päpstliche Entscheidungen – beginnend mit Damasus (360-384) anschließen.

Kombination von Text und Interpretation

Wichtig sind schließlich die „Anhänge“ über die Gesetze Kaiser Justinians und der Synode in Trullo oder das „Concilium Quinisextum“.

Der zweite Anhang bietet Texte über „Die Ehen der Apostel“ und der dritte enthält „Schlüsseldokumente der weiteren Entwicklung in der lateinischen Kirche“. Wichtig sind auch die Ausführungen über das Thema „Kulturelle Reinheit“, „Ost- und Westgefälle der Enthaltsamkeitsforderung“, die „Monogamieregel“, „Eheliche Enthaltsamkeit“, „Ehelos lebender Klerus“ und das „Syneisaktentum“. Soweit der Aufbau des Werkes.

Kardinal Walter Brandmüller
Foto: Daniel Karmann (dpa)

Zuerst wird der Autor der Texte vorgestellt, worauf vor jedem Text dessen Editionen und Übersetzungen samt Sekundärliteratur aufgeführt werden. Sodann wird der jeweilige Originaltext samt Übersetzung ins Deutsche geboten, woran die wissenschaftliche „Diskussion“ des jeweiligen Textes anschließt. Am Ende einer Gruppe von Texten wird dann deren „Ertrag“ erhoben.

Eben diese Kombination von Text, nicht selten erstmaliger Übersetzung ins Deutsche und Interpretation ist ein besonderer Vorzug dieses Werkes, dem auch deswegen eine eigenständige wissenschaftliche Bedeutung bekommt.

Ein Denkmal dauerhafter als Erz

Mit diesem Werk hat der Herausgeber und auch Autor ein „Monumentum aere perennius“, ein Denkmal dauerhafter als Erz, vorgelegt, das ein hoffnungsvolles Zeichen dafür ist, dass auch heute Grundlagenforschung betrieben wird. Noch immer ist gerade in der Theologie der Gang zu den Quellen notwendig, wenn immer es um Erkenntnis von Wahrheit geht.

Dieses Werk, das nicht nur die Quellen zum Thema in wünschenswerter Vollständigkeit darbietet, sondern darüber hinaus auch deren Interpretation, wird in Zukunft jeder zur Kenntnis nehmen müssen, der sich zum Thema „Zölibat“ äußern will.

Der wirkliche Gewinn dürfte jedoch darin bestehen, dass wichtige, spirituell tiefe, theologisch entscheidende Texte zum Thema erstmals in Vollständigkeit gesammelt dargeboten werden. Im Übrigen hätte man gern Genaueres über Art und Umfang der Mitarbeit von Johannes Isépy erfahren. Der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität gereicht es jedenfalls zur Ehre, dass dieses bedeutende Werk in interdisziplinärer Zusammenarbeit an einem ihrer Lehrstühle entstanden ist.


Andreas Wollbold unter Mitarbeit von Johannes Isépy: Zölibat. Schlüsseltexte aus den Anfängen bis zum 5. Jahrhundert. 1.085 Seiten, Hardcover. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2024. EUR 88,-

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